Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt
Flugzeuge abschießen.«
Acheson legte überzeugend seine Ansicht dar, dass die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner im Grunde nur eine glaubwürdige Antwort auf einen möglichen Showdown in Berlin hätten – nämlich eine Bodenoffensive mit konventionellen Truppen, um »den Russen zu zeigen, dass es sich nicht lohne, ein wirklich mutiges Vorgehen des Westens zu stoppen«. Um das zu ermöglichen, sei jedoch eine massive Aufrüstung erforderlich. Acheson zählte munter die potenziellen militärischen Gegenmaßnahmen bei den verschiedenen Varianten einer Berlin-Blockade auf, unter anderen die Entsendung einer Division über die Autobahn, um sich gewaltsam Zutritt nach Berlin zu verschaffen. Falls dieser blockiert werde, so Acheson, wisse der Westen, woran er sei und könne wie schon im Korea-Krieg Bündnispartner suchen und aufrüsten. 48
Kennedy sagte Macmillan, dessen hochgezogene Augenbrauen und Seitenblicke unmissverständlich seine Skepsis zum Ausdruck gebracht hatten, dass er sich noch kein abschließendes Urteil über Achesons Ansichten gebildet habe. Er stimmte jedoch seinem neuen Berater zu, dass die Planungen für den Ernstfall in Berlin mit Blick auf die wachsende Wahrscheinlichkeit einer Konfrontation in irgendeiner Form derzeit »nicht ernsthaft genug« seien.
Macmillan richtete seinen Widerstand gezielt gegen Achesons Vorschlag, auf eine Berlin-Blockade mit der Entsendung einer Division zu antworten, weil dies »ein sehr angreifbares Kontingent sei, wenn es auf einer schmalen Front vorrücke«. Falls es zu Feindseligkeiten kommen sollte, müssten die Truppen unweigerlich die Autobahn verlassen, und das würde eine ganze Palette von Schwierigkeiten nach sich ziehen. Auf Kennedys Nachfrage hin pflichtete er jedoch Acheson bei, dass die Luftbrücke wegen der verbesserten sowjetischen Luftabwehrfähigkeiten nicht wiederholt werden könne.
Amerikanische und britische Regierungsvertreter erörterten anschließend, welche neue militärische Planung und Ausbildung erforderlich sei, um eine intensivere Vorbereitung auf alle Eventualitäten im Fall Berlin zu ermöglichen. Außenminister Rusk begrüßte eine britisch-amerikanische bilaterale Planung, regte aber an, dass die Westdeutschen mit ihrer erhöhten militärischen Kapazität und Bereitschaft, Berlin zu verteidigen, »rasch« ins Boot geholt werden sollten. Lord Home runzelte missbilligend die Stirn. Die Briten trauten den
Deutschen längst nicht so wie die Amerikaner und waren überzeugt, dass Adenauers Nachrichtendienst und andere Regierungsbehörden von einer Flut von Spionen unterwandert seien. Obwohl Lord Home das Vergnügen hatte, mit den Amerikanern über die Zukunft Deutschlands zu sprechen, war er zu einem vergleichbaren Gespräch mit den Deutschen nicht bereit.
Home wollte die Amerikaner von ihrem Augenmerk auf die militärische Seite abbringen und mögliche Eröffnungen für Berlin-Gespräche mit dem Kreml erörtern. Er argumentierte, dass Chruschtschow nur eine öffentliche Erklärung abgegeben habe, die seinen Verhandlungsspielraum einenge: nämlich die Verpflichtung, den Besatzungsstatus von Berlin zu beenden. Lord Home glaubte, Chruschtschow könne »aus dieser Patsche herauskommen«, wenn die Alliierten einen Vertrag unterzeichneten, der den Status quo für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren verlängere, aber im Laufe der Zeit den Status Berlins ändern würde.
»Chruschtschow steckt keineswegs in der Patsche «, gab Acheson zurück, »und kann deshalb auch nicht herausgezogen werden.« Acheson hatte nichts übrig für die, wie er meinte, Rückgratlosigkeit der Briten gegenüber Moskau. Er erinnerte Home scharf daran, dass sich Chruschtschow »nicht an den Rahmen der Legalität hält. Chruschtschow legt es darauf an, die Alliierten zu spalten. Er wird keinen Vertrag schließen, der uns weiterhilft. Unsere Position ist gut, so wie sie ist, und wir sollten sie beibehalten.« Acheson fürchtete, dass schon die Überlegung, einen Vertrag mit Ostdeutschland zu schließen, der nur den sowjetischen Interessen diene, »den deutschen Geist untergraben werde«.
Die Spannung zwischen Home und Acheson füllte den ganzen Raum. Nach einer peinlichen Stille pflichtete Rusk Acheson bei, dass sämtliche Gespräche über die Akzeptanz eines solchen Vertrags bedeuteten, dass man »sich auf dünnes Eis« begebe. Er sagte, die Vereinigten Staaten müssten klarstellen, dass sie als Folge des Kriegs in Berlin stünden, nicht »aufgrund der Gnade
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