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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Vereinigten Staaten sollten außerdem erneut Nuklearversuche durchführen und in Verletzung von Kennedys Versprechen an Chruschtschow die Erkundungsflüge wieder aufnehmen, die in der Vergangenheit zum Abschuss und der Gefangennahme der U-2- und RB-47-Piloten geführt und die Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion zeitweise auf den Nullpunkt gebracht hatten. Darüber hinaus sollten Flugzeugträger Positionen einnehmen, die ihre Mithilfe bei einer eventuellen Verteidigung Berlins ermöglichen würde.
    Die Männer in diesem Raum waren wie vom Donner gerührt. Acheson schlug nichts weniger vor als eine Mobilmachung, die die Vereinigten Staaten unmittelbar kriegsbereit machen würde. Wenn Acheson in irgendeiner Form Kennedys Denken wiedergab, erlebten sie gerade einen historischen Wendepunkt in der Auseinandersetzung mit Moskau über Berlin.
    Acheson war jedoch noch lange nicht fertig. Er forderte eine beträchtliche Aufstockung des Verteidigungshaushalts und eine Ausrufung des nationalen Notstands, damit alle Amerikaner begriffen, worum es hier ging. Dies alles sollte von Resolutionen des Kongresses begleitet werden. Dazu wäre es natürlich nötig, das amerikanische Volk und den Kongress psychologisch auf einen möglichen Krieg vorzubereiten. Dafür schlug Acheson ein großes Bauprogramm für Luftschutzräume vor, das die Bevölkerung wachrütteln würde.
    Darüber hinaus sollte man das Strategic Air Command, das Strategische Luftwaffenkommando, in ständige Alarmbereitschaft versetzen und größere Truppenverbände nach Europa verlegen. Sollten diese Maßnahmen die Sowjets immer noch nicht beeindrucken, sollte man eine militärische Luftbrücke nach Berlin einrichten und durch die Erhöhung der Fahrten von Militärfahrzeugen über die Grenzübergangsstellen hinweg dafür sorgen, dass der Zugang nach Berlin offen bliebe. Wenn dies nicht gelinge, müssten »militärische Bewegungen folgen, die den bevorstehenden Einsatz von taktischen Nuklearwaffen und später sogar strategischen Atomwaffen anzeigen«.
    Andererseits sah Acheson auch Proteste amerikanischer Verbündeter, vor allem der Briten, gegen dieses Vorgehen voraus. »Es wäre wichtig, dass unsere Alliierten mitziehen«, sagte er, »aber wir sollten bereit sein, auch ohne sie loszulegen, außer wenn sich die Deutschen querstellen sollten.« Acheson war
jedoch überzeugt, dass sein Freund Adenauer seinen Plan unterstützen würde. Dies sei entscheidend, weil dabei deutsche Truppen und Interessen den größten Gefahren ausgesetzt seien. »Wir sollten bereit sein, bis zum bitteren Ende zu gehen, wenn die Deutschen uns begleiten«, fügte er hinzu.
    Wenngleich die Männer in diesem Raum nicht wussten, inwieweit Acheson für Kennedy sprach, spiegelte sein Denken zweifellos das Gefühl wachsender Dringlichkeit beim Präsidenten wider. 13 Seit seinem Amtsantritt zeigte sich Kennedy über den lethargischen Entscheidungsfindungsprozess des Außenministeriums frustriert, das er »eine Schüssel voller Wackelpudding« nannte. Aber auch das Pentagon brauchte oft Tage oder Wochen, bis es sich zu einem Entschluss durchringen konnte. Der US-Präsident wollte, dass sein Apparat eine schnellere Gangart einschlug. Immerhin lebte man in einer Welt, in der ihm selbst vielleicht nur ein paar Minuten für eine Entscheidung zur Verfügung standen, die Millionen Menschen das Leben kosten konnte.
    Acheson gab der Task-Force zwei Wochen Zeit, um sich seine Vorstellungen durch den Kopf gehen zu lassen. Dann sollte man über seine Vorschläge eine Entscheidung treffen. Nehme man sie an, sollte ihre Umsetzung sogleich beginnen. Als er die überraschten Gesichter der Sitzungsteilnehmer bemerkte, reagierte er sofort. Er wisse sehr wohl, dass er hier einen riskanten Kurs vorschlage. Trotzdem sei dieser in keiner Weise tollkühn, wenn die US-Regierung wirklich bereit sei, zur Verteidigung von Berlin Atomwaffen einzusetzen, da darauf ihr gesamtes Prestige beruhe. »Wenn wir nicht bereit sind, den Weg bis zum Ende zu gehen, sollten wir ihn gar nicht erst einschlagen. Wenn wir ihn jedoch einmal begonnen haben, wäre jeder Rückzieher verheerend. Wenn wir nicht bereit sind, die damit verbundenen Risiken zu akzeptieren, sollten wir besser sofort damit anfangen, die eventuellen katastrophalen Folgen abzumildern, die ein Bruch unserer Verpflichtungen haben würde.«
    Nachdem Acheson geendet hatte, war es im Raum totenstill. Er wusste, dass die wichtigsten Politikgestalter in Washington zu einem

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