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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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der Seite des Volkes und immer voll mittendrin, so kennt das Volk Nikita Sergejewitsch Chruschtschow. «
    Vor den Fernsehkameras pries der Kosmonaut Jurij Gagarin Chruschtschow als den »Pionierforscher des kosmischen Zeitalters«. 14 Der Sowjetführer erhielt einen weiteren Lenin-Orden und eine dritte goldene Hammer-und-Sichel-Medaille für »seine Führungsrolle bei der Schaffung und Entwicklung der Raketenindustrie […], die eine neue Ära in der Eroberung des Weltalls eröffnete«. Chruschtschow zeichnete seinerseits siebentausend Personen aus, die zum ersten bemannten Weltraumflug beigetragen hatten. Um seine persönlichen Verbindungen zu festigen und seine Rivalen zu neutralisieren, verlieh er seinem Verbündeten im Politbüro, Leonid Breschnew, und einem möglichen Konkurrenten beim nächsten Parteitag im Oktober, Frol Koslow, ebenfalls
einen Lenin-Orden. Als meisterhafter Politiker sicherte Chruschtschow seine Flanken, bevor er in Berlin tätig wurde.
    Bild 25
    21. Juni 1961: Chruschtschow zieht seine alte Uniform an und bereitet das Militär in einer Rede im großen Kremlsaal auf die Möglichkeit eines Kriegs vor.
    In seiner Ansprache stellte er die Weigerung des Westens, in der Berlin-Frage einen Kompromiss einzugehen, als eine Bedrohung nicht nur Moskaus, sondern der ganzen kommunistischen Welt dar. 15 Wie die Nazis im Zweiten Weltkrieg werde der Westen aufgrund der gewachsenen militärischen Stärke der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers eine vollständige Niederlage erleiden.
    Danach lobten die Kriegshelden und obersten Militärführer der UdSSR einer nach dem anderen Chruschtschows Führung und ließen in der Berlin-Frage die Alarmglocken schrillen. 16 Der Inspekteur der sowjetischen Landstreitkräfte, Marschall Wassili Tschuikow, rief der Menge zu: »Die historische Wahrheit ist doch, dass beim Sturm auf Berlin kein einziger amerikanischer, britischer oder französischer Soldat dabei war mit Ausnahme der Kriegsgefangenen, die wir befreit haben.« Aus diesem Grund seien die Forderungen der Alliierten nach Sonderrechten in Berlin so lange nach der deutschen Kapitulation »völlig unbegründet«.

    Die Menge jubelte.
    Generalmajor Alexander Nikolajewitsch Saburow, der ehemalige Führer der sowjetischen Partisanenbewegung in der Ukraine, bestätigte aus persönlicher Erfahrung, dass Chruschtschow ein begnadeter Militärstratege sei, der einen großen Gegner in einem ganz bestimmten historischen Augenblick genau einschätzen und danach einen durchführbaren Handlungsplan entwickeln könne. Verteidigungsminister Rodion Malinowski erklärte, die Amerikaner und ihre Verbündeten seien gerade dabei, »einen riesigen Militärapparat und ein System von Angriffsblöcken« rings um die sowjetischen Grenzen aufzubauen, denen man unbedingt entgegentreten müsse. Er behauptete, dass sie große Nuklearwaffen- und Raketenvorräte anhäuften und in Algerien, Laos, Kuba und dem Kongo Spannungsgebiete schaffen würden. Genau diese »vom Klassenhass gegen den Sozialismus geblendete« Politik habe bereits zum Zweiten Weltkrieg geführt.
    Ganz offensichtlich war Chruschtschow gerade im Begriff, eine Hintergrundgeschichte für alle seine Handlungsoptionen in Berlin zu stricken. Der zufolge waren die Amerikaner Moskaus gefährlichster Feind. Berlin war das Schlachtfeld, das es zu säubern galt. Chruschtschow war der Held der Vergangenheit und Gegenwart, der die Sozialisten der Welt in diesem historischen Augenblick anführen würde. Das Ganze war einerseits ein Schlachtruf für eine mögliche Auseinandersetzung in Berlin, andererseits eine persönliche Werbeveranstaltung des Sowjetführers in Vorbereitung des Parteitags im Oktober. Die Zukunft Berlins und Chruschtschows waren ab jetzt untrennbar miteinander verbunden.
    Der sowjetische Ministerpräsident belohnte das Militär für seine Unterstützung. Seit Mitte der 1950er Jahre hatte er das Verteidigungsbudget und die Truppenstärke ständig verringert und gleichzeitig Gelder, die bisher den konventionellen Verbänden zugeflossen waren, in die Nuklearraketeneinheiten umgeleitet. Jetzt kehrte er diesen Trend um, stockte die Mannschaftsstärken wieder auf, stellte neue Waffen zur Verfügung und erhöhte die Rüstungsausgaben, um »alle Truppengattungen unserer Streitkräfte« ausreichend und ausgewogen zu unterstützen. Dem sowjetischen Militär müsse »alles Notwendige zur Verfügung stehen, um jeden Gegner sofort zu vernichten, der die Freiheit unseres Mutterlands

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