Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt
solchen Weg grundsätzlich am ehesten bereit waren. Auch jetzt äußerte niemand aus Kennedys außenpolitischer Mannschaft eine abweichende Meinung. Der Leiter der Sitzung, Foy Kohler aus dem Außenministerium, ein Anhänger Achesons, brach das Eis, indem er seine generelle Zustimmung bekundete. Er fügte jedoch hinzu, dass die Briten gegen Achesons Vorschlag seien, demonstrativ Truppen über die Autobahn nach Berlin zu schicken, um gegen eine mögliche kommunistische Zugangsbeschränkung zu protestieren. Macmillan hatte gewarnt, sie würden von den Sowjets »zu Hackfleisch gemacht werden«.
Paul Nitze aus dem Pentagon ergänzte, dass ihm der Leiter des britischen Planungsstabs für Berlin und Deutschland, Sir Evelyn Shuckburgh, gesagt habe, es sei »wichtig, die Leute durch unsere militärische Präsenz nicht zu Tode zu erschrecken«.
Acheson warf daraufhin ein, dass es die Vereinigten Staaten jetzt gleich erfahren müssten, wenn die NATO-Verbündeten gegen Aktionen zur Verteidigung Berlins seien. »Wir sollten sie nicht erst fragen, ob sie Angst bekämen, wenn wir ›Buh!‹ rufen würden. Stattdessen sollten wir ›Buh!‹ rufen und schauen, wie weit sie daraufhin springen.«
Botschafter Thompson, ein ausgewiesener Gegner Achesons, der für dieses Treffen extra aus Moskau eingeflogen war, warnte: »Wir dürfen Chruschtschow nicht vollkommen in die Ecke drängen.« Da die Russen auf keinen Fall denken sollten, die Vereinigten Staaten hätten sich von ihren Verbündeten isoliert, »wäre es vielleicht doch besser, nicht ›Buh!‹ zu rufen, bevor wir nicht die britische Führung hinter uns wissen.«
Acheson feuerte zurück, dass es schwierig werden könnte, Chruschtschow davon zu überzeugen, dass man es ernst meine, wenn man gleichzeitig die Briten wissen lasse, dass man gerade dies nicht tue.
Im Gegensatz zu Acheson war Thompson davon überzeugt, dass der Sowjetführer keine militärische Konfrontation wollte und viel dafür tun würde, um eine solche zu vermeiden. Er glaubte, dass weniger auffällige Aktionen wirksamer seien und Chruschtschow auch nicht zu dem schlimmen irrationalen Verhalten provozieren würden, für das er leider bekannt war und das später dann zu genau dem Krieg führen könnte, den die Vereinigten Staaten unbedingt zu vermeiden hofften.
Nitze bezweifelte dagegen die Effektivität weniger auffälliger Aktionen, da kaum eine Eventualfallplanung ohne Maßnahmen vorstellbar sei, die nur durch hochoffizielle Erklärungen des Präsidenten in die Wege geleitet werden könnten und später vom Kongress bestätigt werden müssten. Acheson meinte daraufhin, dass sich ein Teil dieses »politischen Getöses« vielleicht vermeiden ließe, wenn man den Kongress davon überzeugen könnte, vielen Maßnahmen auf der Basis bereits bestehender Notstandsgesetze zuzustimmen, denen dann erst später eine entsprechende Resolution folgen müsste.
Acheson schien bereits alles durchdacht zu haben.
Gefragt nach den Zeitvorstellungen des Präsidenten, meinte Acheson, dass die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen spätestens am Ende der folgenden Woche dem Außenminister und dem Verteidigungsminister vorliegen sollten.
Äußerstenfalls dürfe es zehn Tage dauern. Acheson legte die Termine fest, die alle Anwesenden ohne Widerspruch und Murren akzeptierten.
Nitze aus dem Pentagon schlug vor, dass innerhalb der nächsten drei Tage eine Arbeitsgruppe gebildet werden sollte, die eine Liste mit den in Bezug auf Berlin zu treffenden Schritten zusammenstellen würde. Als Zieldatum für die Vorstellung umfassender militärischer Empfehlungen wurde der 26. Juni festgesetzt.
Das war für Regierungsvorgänge ungewöhnlich schnell.
DER KREML, MOSKAU
MITTWOCH, 21. JUNI 1961
Wie immer ein Freund des Theatralischen, hatte sich Chruschtschow entschieden, bei der militärischen Feier zum 20. Jahrestag des Überfalls Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion seine alte Generalleutnantsuniform aus Kriegszeiten anzuziehen. Tatsächlich hatte er diese nicht mehr getragen, seitdem er an der Stalingrad-Front als oberster Politoffizier gedient hatte. In Anbetracht seines derzeitigen Umfangs musste ihm die Sowjetarmee jedoch eine neue Uniform schneidern.
Als Ergänzung dieser Jubelfeier lief gerade in den Moskauer Kinos ein Dokumentarfilm über Chruschtschows Leben als Militär- und Politikheld an, der den Titel Unser Nikita Sergejewitsch trug. Die Iswestija schrieb in ihrer Premierenbesprechung: »Allzeit und in allen Dingen an
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