Sweet Valentine's - Rache zum Valentinstag
1.
Kapitel
Tess
Es
ist die Hölle.
Ich
stehe auf der Bühne und fühle mich wie eine Zuchtsau bei der Fleischbeschau.
Die Geräusche um mich herum – Stimmen, das Klappern von Geschirr, Gelächter –
verschwimmen zu einem einzigen monotonen Rauschen, während ich gegen das Licht
der Scheinwerfer blinzle, die auf mich gerichtet sind.
»Hundertfünfzig«,
ruft jemand in den Saal. Ich meine, die Stimme zu erkennen, und als ich den
Sprecher im Publikum ausfindig gemacht habe, spüre ich ein wenig Erleichterung.
Wie vermutet ist es Noah Williams.
Wir
kennen uns schon, seitdem wir kleine Kinder waren. Er ist vier oder fünf Jahre
älter als ich, müsste also um die dreißig sein, und inzwischen Sherriff hier in
Green Falls, unserem Heimatort. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, aber
früher haben wir uns immer ganz gut verstanden. Mit ihm den Abend zu
verbringen, wäre sicher nicht die schlechteste Möglichkeit.
»Ach,
kommt schon, Leute«, quengelt Holly mit dem Mikrofon in der Hand. »Ein bisschen
mehr müsste euch Tess doch schon wert sein. Sie hat schließlich eine Menge zu
erzählen.«
In
diesem Augenblick hasse ich sie. Ich werfe ihr einen Blick zu, der ihr das
unmissverständlich klar machen soll, aber sie lächelt nur zuckersüß zurück. Es
scheint ihr nichts auszumachen, dass sie es war, die mir diesen Schlamassel
eingebrockt hat. Ganz im Gegenteil.
»Also,
wer bietet mehr?«, fragt sie, anstatt meinem Leiden ein Ende zu bereiten und
Noah endlich den Zuschlag zu geben.
Eigentlich
bin ich ja selbst schuld, schießt es mir durch den Kopf. Diese
Junggesellinnenversteigerung am Abend des Valentinstages hat schon eine lange
Tradition in Green Falls. Früher haben wir uns immer darüber lustig gemacht,
dass Frauen, die nicht in einer festen Beziehung waren, sich bereit erklärten,
den Abend mit dem Meistbietenden zu verbringen – selbstverständlich für einen
guten Zweck. Damals fand ich die Idee auch noch ganz süß, dass Singles den
Valentinstag nicht allein verbringen mussten, denn das konnte schon ganz schön
bitter sein.
Inzwischen
hat sich das jedoch grundlegend geändert. Ich hatte ja keine Ahnung, wie man
sich dabei fühlt, angepriesen zu werden wie schal gewordenes Bier. Hätte ich
mich doch bloß nicht breitschlagen lassen, bei diesem Schwachsinn mitzumachen!
Ich
schließe die Augen und schicke ein Stoßgebet in Richtung Himmel, dass Holly
endlich ein Einsehen hat und die Sache beendet – auf welche Weise auch immer.
»Es
reicht jetzt. Nimm doch einfach das Gebot von Noah an«, raune ich ihr zu.
Ich
kann nicht sagen, ob sie mich tatsächlich nicht hört oder mich einfach nur
ignoriert, aber sie blickt weiter freundlich lächelnd ins Publikum.
»Hundertfünfundfünfzig«,
tönt es von der linken Seite des Saals. Durch das Scheinwerferlicht fällt es
mir nicht leicht, die einzelnen Personen im Raum zu erkennen, aber die quäkende
Stimme dieses Bieters ist unverwechselbar.
Oh
nein, bitte nicht!
Ich
versuche, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Ausgerechnet jetzt, wo
beinahe alle männlichen Singles aus Green Falls schon ausgestiegen sind und es
fast sicher zu sein schien, dass Noah den Zuschlag bekommen würde, mischt sich
Darren Walters ein. Er lehnt lässig an der Wand, kaut auf einem Kaugummi herum
und hat keine Ahnung, wie lächerlich er mit seiner knallengen Jeans und dem
Hemd, bei dem mindestens drei Knöpfe zu viel offen stehen, aussieht. Schon
während der Schulzeit hat er alles angebaggert, was halbwegs weiblich aussah
und nicht schnell genug auf den Bäumen war. Inzwischen hat er ordentlich an
Bauchumfang zugelegt. Als Ausgleich dafür befindet sich sein Haaransatz auf dem
Rückzug. Trotzdem zeigt sein anzügliches Grinsen, dass er sich nach wie vor für
absolut unwiderstehlich hält.
Ich
kann es nicht lassen, ein Würgegeräusch von mir zu geben, das nur Holly hören
kann.
Sie
kichert leise, behält im Gegensatz zu mir ihre Gesichtszüge aber vollkommen
unter Kontrolle. Ihr scheint es einen Riesenspaß zu machen, sich vor allen in
Szene zu setzen. Als Mädchen aus der Großstadt hat sie mich angekündigt,
weil ich seit ein paar Jahren in San Francisco wohne. Und inzwischen bin ich
mir sicher, dass ich genau dort hätte bleiben sollen.
Ich
sehe Noahs amüsiertes Gesicht. Er scheint genau zu wissen, was in mir vorgeht.
»Hundertsechzig«,
ruft er in den Raum.
Ich
atme erleichtert auf. Doch schon sehe ich, dass Darren wieder den
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