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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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der entsetzte Schreiber zur Tür raus, entsetzt, die sind ja hier alle verrückt. Auf dem Korridor öffnen sich Türen.
    An der Kneipe unten haben sie das Geschrei und das Poltern gehört. Zwei Mann sind gleich rauf, treffen auf der Treppe den Schreiber, wie der an ihnen vorüberläuft. Der hat aber den Kopf oben und ruft und winkt: Rasch einen Arzt, Schlaganfall. Und ist weg, der gerissene Hund.
    Oben liegt Franz ohnmächtig in der Stube neben dem Stuhl. Eva kauert seitlich zwischen Fenster und Vertiko, kauert und kreischt, als wenn sie ein Gespenst gesehen hat. Sie legen Franzen vorsichtig aufs Bett. Die Wirtin kennt schon Evas Zustände. Sie gießt ihr Wasser über den Kopf. Dann sagt die Eva leise: »Ne Semmel.« Die Männer lachen: »Ne Semmel will die.« Die Wirtin hebt sie an den Schultern hoch, sie setzen sie auf einen Stuhl: »Das sagt sie immer, wenn sie das hat. Das ist aber kein Schlaganfall. Sind bloß die Nerven und die Plage mit dem kranken Mann. Der is ihr wohl hingefallen. Warum steht denn der auch auf. Der muß immer aufstehn, und da regt sie sich denn auf.« »Na, was schreit denn der: Schlaganfall?« »Wer?« »Na, der vorbeikam eben auf der Treppe.« »Na, weil das ein Dusel ist. Ich kenn doch meine Eva, schon fünf Jahre. Ihre Mutter ist auch so. Wenn die kreischt, hilft auch bloß Wasser.«
    Wie Herbert am Abend nach Hause kommt, gibt er Eva einen Revolver, für alle Fälle, und nicht erst warten, bis der andere schießt, dann ist zu spät. Er selbst macht sich gleich auf die Strümpfe, fragt nach Schreiber, natürlich nicht zu finden. Die Pumsleute sind alle in Ferien, will sich auch keiner in die Sache einmischen. Schreiber natürlich auch über alle Berge. Das Geld für Franzen hat er sich eingesteckt und ist nach Oranienburg auf seine Klitsche. Den Reinhold schwindelt er noch an: Biberkopf hat kein Geld genommen, aber die Eva hat mit sich reden lassen, der hat er es zugesteckt, und die wird schon machen. Na also.

    Es ist Monat Juni geworden in Berlin trotz alledem. Das Wetter bleibt warm und regnerisch. Viele Dinge gehen in der Welt vor. Das Luftschiff Italia mit dem General Nobile ist abgestürzt und funkt, wo es liegt, nämlich nordöstlich von Spitzbergen, wo aber schwer ranzukommen ist. Ein anderes Flugzeug hatte mehr Glück, das ist in einem Zuge von Franzisko bis Australien in 77 Stunden und ist glatt gelandet. Dann der König von Spanien, der streitet sich mit seinem Diktator Primo, na, wir wollen hoffen, die Sache gibt sich wieder. Angenehm berührt, und zwar gleich auf den ersten Blick, eine badisch-schwedische Verlobung: da hat eine Prinzessin aus dem Streichholzland bei einem Prinzen von Baden Feuer gefangen. Wenn man bedenkt, wie weit Baden und Schweden auseinanderliegen, so wird man staunen, wie das so piff paff auf solche Entfernung geht. Ja, die Frauen sind meine schwache Seite, sie sind die Stelle, wo ich sterblich bin, küß ich die erste, denk ich an die zweite und schau verstohlen schon zur dritten hin. Ja ja, die Frauen sind meine schwache Seite, was soll ich tun, ich kann doch nichts dafür, und geh ich einmal an den Frauen pleite, dann schreib ich ausverkauft an meine Herzenstür.
    Und Charlie Amberg fügt hinzu: Ich reiß mir eine Wimper aus und stech dich damit tot. Dann nehm ich einen Lippenstift und mach dich damit rot. Und wenn du dann noch böse bist, weiß ich nur einen Rat: ich bestelle mir ein Spiegelei und bespritz dich mit Spinat. Du du du du, dann bestell ich mir ein Spiegelei und bespritz dich mit Spinat.
    Es bleibt also warm und regnerisch, mittags bis 22 Grad Celsius. Bei dieser Witterung erscheint auch der Mädchenmörder Rutowski in Berlin vor dem Schwurgericht und soll sich reinwaschen. Daran knüpft sich die Frage: ist die getötete Else Arndt die entflohene Gattin eines Seminarschulrats? Denn der hält es brieflich für möglich, vielleicht für wünschenswert, daß die ermordete Else Arndt seine Ehefrau ist. Bejahendenfalls will er vor Gericht wichtige Aussagen machen. Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit, es liegt in der Luft eine Sachlichkeit, es liegt in der Luft, und es liegt in der Luft, in der Luft. Es liegt in der Luft was Idiotisches, es liegt in der Luft was Hypnotisches, es liegt in der Luft, es liegt in der Luft, und es geht nicht mehr raus aus der Luft.
    Am nächsten Montag aber wird die elektrische Stadtbahn eröffnet. Das nimmt die Reichsbahndirektion zum Anlaß, um erneut auf die Gefahren, Achtung, Vorsicht, nicht einsteigen,

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