Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
gesehn haben.«
Was will ich eigentlich bei dem Kerl hier, hat mir das Haar zerzaust, ist ja ein Rowdy, ich schiebe ab. Hat alles seine Zeit. Jegliches, Jegliches.
»Sein Sie man nicht so, Fräulein, das war nur so ein Augenblick. Momentchen, wissen Sie, es gibt im Menschenleben manchesmal Momente.« »Darum brauchen Sie mir doch nicht an den Kopp zu fassen.« »Nicht schimpfen, Mieze.« Ick faß dir noch wo anders hin. Die wilde Hitze ist schon wieder da. Wenn ick die bloß anfasse. »Mieze, wollen wir wieder Frieden halten?« »Na denn, benehmen Sie sich aber.« »Gemacht.« Arm in Arm. Er lächelt sie an, sie lächelt gegen das Gras. »War nicht so schlimm, Mieze, was? Wir bellen bloß so, wir beißen nicht.« »Ich überleg mir, wozu haben Sie da einen Amboß? Manche haben ne Frau da, oder ein Herz oder sowas, aber ein Amboß.« »Na wat denken Sie, Mieze.« »Nischt. Ich weeß doch nich.« »Is mein Wappen.« »Amboß?« »Ja. Da muß sich eener rufflegen.« Er grinst sie an. »Sie sind aber ein Schwein. Da hätten Sie sich doch lieber ein Bett ruffmachen sollen.« »Nee, Amboß ist besser. Amboß ist besser.« »Sind Sie Schmied?« »Een bißchen ooch. Unser eens ist alles. Aber das verstehen Sie noch nicht so richtig mit dem Amboß, Mieze. Mir darf keiner zu nahe kommen, Fräulein, sonst brennts gleich. Aber müssen nicht glauben, daß ich gleich beiße und Ihnen schon lange nicht. Wir gehen doch hier so hübsch und ich möchte mir ooch gern setzen, in ne Kute.« »Ihr seid wohl alle sone Jungs da bei Pums?« »Kommt drauf an, Mieze, gut Kirschen essen ist nicht mit uns.« »Na, und wat machen Sie da alles?« Wie krieg ich dir erst in ne Kute, und keen Mensch geht hier. »Ach, Mieze, das fragste am besten deinen Franz, der weeß alles genau so gut wie ich.« »Aber sagen dut der nischt.« »Gut ist das. Schlau ist der. Besser nischt sagen.« »Aber mir.« »Wat willste denn wissen?« »Wat Ihr macht?« »Krieg ich ooch ein Kuß?« »Wenn dus mir sagst.«
Da hat er sie in den Armen. Zwei Arme hat der Junge. Und wie der pressen kann. Jegliches seine Zeit, pflanzen und ausrotten, suchen und verlieren. Ich krieg keine Luft. Der läßt nicht los. Ist das heiß. Laß doch. Wenn der noch paarmal so macht, bin ich hin. O jeh, der muß mir doch erst sagen, was mit Franz ist, wat Franz eigentlich will und was alles gewesen ist und was die denken. »Jetzt läßte mir los, Reinhold.« »Also.« Und läßt sie los, steht, fällt vor ihr auf den Boden, küßt ihre Schuhe, der ist wohl verrückt, küßt ihre Strümpfe, weiter rauf, ihr Kleid, ihre Hände, jegliches seine Zeit, rauf zum Hals. Sie lacht, schlägt um sich: »Weg, geh weg, Mensch, bist wohl verrückt.« Wie der glüht, dir muß man unter die Brause stellen. Er atmet und keucht, er will sich an ihren Hals anwühlen, stammelt, aber das ist nicht zu verstehen, er geht allein weg von ihrem Hals, der ist wie ein Stier. Sein Arm liegt an ihrem, sie gehen, die Bäume singen. »Kuck, Mieze, da ist ne schöne Kute, die ist für uns gebaut – kuck mal. Ne Wochenendskute. Da hat einer drin gekocht. Wollen wir mal raus machen. Macht man sich die Hosen drin dreckig.« Soll ick mir setzen. Vielleicht redt er aber dann besser. »Na, meinetwegen. Een Mantel runter wärs schöner.« »Wart mal, Mieze, zieh mir die Jacke aus.« »Hübsch von dir.«
Da liegen sie schräg abwärts in einer Grasmulde, sie stößt mit dem Fuß eine Konservenbüchse weg, sie dreht sich auf den Leib, legt ruhig einen Arm über seine Brust. Da wären wir. Sie lächelt ihn an. Wie er die Weste von seiner Brust wegschiebt und der Amboß durchscheint, zieht sie den Kopf nicht weg. »Jetzt erzählst du mir was, Reinhold.« Er drückt sie an seine Brust, da wären wir, schön, da ist das Mädel, geht alles in Ordnung, feines Mädel, pikfein, die behalt ick lange, da kann der Franz schreien, wat er will, früher kriegt er sie nicht. Und Reinhold rutscht abwärts, und zieht Miezen über sich, schlingt sie in seine Arme und küßt ihren Mund. Er saugt sich ein, kein Gedanke bei ihm, nur Wonne, Gier, Wildheit und da ist jeder Handschlag vorgeschrieben und möge keiner kommen, hier etwas zu hindern. Dann bricht es und splittert es und dagegen kann kein Orkan oder Steinschlag etwas, das ist ein Geschoß aus einer Kanone, eine Mine, die fliegt. Was entgegenfliegt, schlägt es durch, preßt beiseite, weiter, es geht weiter weiter.
»Ach nicht so fest, Reinhold.« Der macht mir schwach; wenn ich mir nich
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