Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Unglück fährt über mich, woran kann ich mich festhalten. Es kommt näher! Und du näherst dich, wie eine Schnecke, du bist nicht feige, du hast nicht nur starke Muskeln, du bist Franz Biberkopf, du bist die Kobraschlange. Sieh, wie sie sich schlängelt, zentimeterweise gegen das Untier, das dasteht und greifen will.
Du wirst keine Gelder verlieren, Franz, du selbst wirst bis auf die innerste Seele verbrannt werden! Sieh, wie die Hure schon frohlockt! Hure Babylon! Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen halten und redete: Komm, ich will dir zeigen die große Babylon, die an vielen Wassern sitzt. Und da sitzt das Weib auf einem scharlachroten Tier und hat einen goldenen Becher in der Hand, an ihrer Stirn geschrieben ein Name, ein Geheimnis. Das Weib ist trunken vom Blut der Heiligen.
Du ahnst sie jetzt, du fühlst sie. Und ob du stark sein wirst, ob du nicht verloren gehst.
Im schönen hellen Zimmer im Gartenhaus Wilmersdorfer Straße sitzt Franz Biberkopf und wartet.
Die Kobraschlange ringelt, liegt in der Sonne, wärmt sich. Ist alles langweilig, und er ist kräftig, und er möchte was tun, man liegt rum, sie haben noch nicht verabredet, wo sie sich treffen wollen, die dicke Toni hat ihm eine dunkle Hornbrille besorgt, ich muß mir eine ganz neue Kluft besorgen, vielleicht mach ich mir ooch einen Schmiß über die Backe. Da rennt einer unten über den Hof. Hat ders aber eilig. Bei mir kommt nischt zu spät. Wenn die Leute sich nicht so beeilen würden, würden sie nochmal so lange leben und dreimal so viel erreichen. Beim Sechstagerennen ist es dasselbe, die treten und treten, immer mit die Ruhe, die Leute haben Geduld, die Milch wird schon nicht überkochen, das Publikum kann pfeifen, wat verstehen die davon.
Es klopft auf dem Korridor. Nanu, warum klingeln die nich. Verflucht, ich geh aus der Bude raus, die hat ja bloß ein Ausgang. Mal horchen.
Schrittchenweise ziehst du dich heran, tausend gute Worte gibst du dir, du schmeichelst dir, du lockst dich, du bist zum Äußersten bereit, nicht zum Alleräußersten, ach, nicht zum Alleräußersten.
Mal horchen. Wat is det. Die kenn ick doch. Die Stimme kenn ich doch. Kreischen, Weinen, Weinen. Mal sehen. Schreck, mein Schreck, woran denkst du? Woran denkt man alles. Die kenn ick doch. Eva.
Die Tür ist auf. Draußen steht Eva, die dicke Toni hat die Arme um die. Winseln, Jammern, was is mit das Mädchen. Woran denkt man alles, was ist geschehen, Mieze schreit, Reinhold liegt im Bett. »Tag Eva, na Eva, Mädel, na wat is, nu gib dir doch, ist wat passiert, wird doch nicht so schlimm sein.« »Laß mir los.« Wie die grunzt, hat woll Keile gekriegt, die hat eener vermöbelt, warte mal. Die hat dem Herbert wat gesagt, der Herbert weiß von det Kind. »Hat dir gehauen, der Herbert?« »Laß mir, faß mir nicht an, Mensch.« Wat macht die für Oogen. Jetzt will sie von mir nichts wissen, hat sie doch selbst gewollt. Wat is denn bloß los, wat hat die bloß, kommen noch Leute, mal die Tür abriegeln. Die Toni steht da, macht und tut mit Eva: »Sei gut, Eva, sei gut, gib dir doch, sag mal, wat is, komm rin, wo ist denn Herbert?« »Ich geh nich rin, ich geh nich rin.« »Na komm ma, wir setzen uns, ich koch Kaffee. Geh ab, Franz.« »Warum soll ich denn abgehen, ich hab doch nischt getan.«
Da macht Eva große Augen, schreckliche Augen, als will sie ein fressen, da kreischt die, faßt Franzen an die Weste: »Der soll mitkommen, der soll mit rin, der kommt hier mit, du kommst mir mit rin!« Was ist mit die los, det Weib is verrückt, hat der eener wat erzählt. Dann bibbert Eva auf dem Sofa neben der fetten Toni. Und das Mädel sieht aufgedunsen aus und fliegt, das kommt von dem Zustand, dabei hat sie das von mir und ich werde ihr doch nichts tun. Da legt Eva die Arme um die dicke Toni, flüstert ihr was ins Ohr, kann erst nicht sprechen und dann bringt sie es raus. Und jetzt fährt wat in die Toni. Die schlägt die Hände zusammen und Eva bibbert und holt ein zerknautschtes Papier aus der Tasche, die sind wohl ganz übergefahren, machen die mit mir Theater oder nicht, wat steht denn in der Zeitung, vielleicht von unsere Sache in der Stralauer Straße, Franz steht auf, brüllt, det sind dämliche Weiber. »Affen ihr. Macht mit mir keen Theater, ihr haltet mir für euren Affen.« »Um Gotteswillen, um Gotteswillen« sitzt die Dicke da, Eva bibbert immer vor sich und sagt nichts und winselt und zittert. Da reißt Franz über den Tisch der
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