Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Gasthaus warens knapp 20 Minuten oder 25. So weit wars nicht.« »Sie sagen doch, Sie sind gerannt.« »Aber erst im Wald, auf der Straße natürlich nicht, wär doch uffgefallen.«
Und dann ist da die freie Stelle, die schräge Tanne steht da, es steht noch alles wie an dem Tage. Ich bin deine, ihr Herz erschlagen, Augen erschlagen, Mund erschlagen, wollen wir nich noch ein Stück gehen, drück nich so fest. »Das ist die schwarze Tanne, stimmt.«
Es kamen Männer über das Land geritten, sie saßen auf kleinen braunen Pferden, sie kamen von weit her. Sie fragten immer, wo die Straße wäre, bis sie an das Wasser kamen, an den großen See, da stiegen sie vom Pferd. Die Pferde banden sie an eine Eiche, sie sprachen Gebete an dem Wasser, sie warfen sich auf den Boden, dann nahmen sie ein Boot und fuhren über das Wasser. Sie sangen den See an, sie sprachen zum See. Sie wollten keinen Schatz suchen in dem See, sie wollten nur verehren den großen See, ein Häuptling von ihnen lag unten. Darum, darum diese Männer.
Die Polizisten hatten Spaten mit, Klempnerkarl ging herum und zeigte die Stelle. Sie stießen die Schippen ein und schon, wie sie einstießen, war der Boden locker, dann gruben sie noch tiefer, schmissen die Erde hoch, der Boden war durchwühlt, Tannenzapfen lagen in der Tiefe, Klempnerkarl steht und kuckt und kuckt und wartet. Es war da, da war es doch, da haben sie das Mädel eingebuddelt. »Aber wie tief wars denn?« »Ein Viertelmeter, mehr nicht.« »Müßten wir ja schon haben.« »Da wars aber, graben Sie man weiter.« »Graben Sie man, graben Sie man, wenn aber nischt da ist!« Der Boden ist durchwühlt, grünes Gras schaufeln sie aus der Tiefe raus, hier haben welche erst gestern oder heute gebuddelt. Jetzt muß sie doch kommen, er hält sich schon immer die Nase zu, mit dem Ärmel, die muß schon ganz übergegangen sein, wieviel Monat sind das und geregnet hats auch. Der eine, der unten buddelt, fragt rauf: »Was hatte sie denn fürn Kleid an?« »Ein dunklen Rock, rosa Bluse.« »Seide?« »Vielleicht Seide, aber hellrosa.« »Etwa so?« Und da hat der eine der Männer eine Spitzenkante in der Hand, es ist Erde dran, das Stück ist schmierig, aber es ist rosa. Er zeigt es dem Richter: »Vielleicht vom Ärmel.« Die graben weiter. Es ist klar: hier hat was gelegen. Gestern oder vielleicht heute hat man hier gebuddelt. Karl steht da; das stimmt also, der hat Lunte gerochen, hat die ausgegraben, hat sie vielleicht irgendwo ins Wasser geschmissen, det is eener. Der Richter spricht abseits mit dem Kommissar, das Gespräch dauert lange, der Kommissar macht sich Notizen. Dann gehen sie zu dritt zum Auto zurück; der eine Mann bleibt an der Stelle.
Der Richter fragt Karlen im Gehen: »Also wie Sie kamen, war das Mädel schon tot?« »Ja.« »Wie wollen Sie das beweisen?« »Warum?« »Na, wenn Ihr Reinhold nu sagt, Sie haben sie umgebracht, oder Sie haben geholfen?« »Tragen hab ick geholfen. Warum soll ick denn das Mädel umbringen?« »Aus demselben Grunde, aus dem er es umgebracht hat, oder umgebracht haben soll.« »Ick war doch gar nicht mit ihr zusammen abend.« »Aber nachmittags doch.« »Aber doch nachher nicht. Da hat sie doch noch gelebt.« »Das wird ein schweres Alibi.«
Im Wagen fragt der Richter Karlen: »Wo waren Sie denn am Abend oder in der Nacht nach der Sache mit dem Reinhold.« Verflucht, na ich sags. »Ich war verreist, er hat mir seinen Paß gegeben, ich bin weggemacht, damit, wenns rauskommt, ich kann ja mein Alibi nachweisen.« »Merkwürdig. Und warum machen Sie denn das, das ist ja ganz doll, waren Sie so befreundet?« »Ooch. Ich bin ooch ein armer Kerl und der hat mir Geld gegeben.« »Und jetzt ist er nicht mehr Ihr Freund, oder hat er kein Geld mehr?« »Der mein Freund? Nee, Herr Richter. Sie wissen ja, warum ich sitze, wegen der Wächtersache und so. Der hat mir verpfiffen.«
Der Richter und der Kommissar sehen sich an, das Auto flitzt, taucht in Chausseelöcher, springt auf, die Allee schießt vorbei, hier bin ich mit ihm gefahren, 180 Tage schenk ich dir. »Da ist wohl was zwischen Ihnen passiert, die Freundschaft ist in die Brüche gegangen?« »Ja, wie das so ist (der will mir uffn Zahn fühlen, nee, auf den Kalmus piepen wir nich, halt stopp, ick weeß). Dat is nämlich so, Herr Richter: der Reinhold ist een ganz Rabiater und mir wollt er eben ooch beiseite schaffen.« »Nanu, hat er denn was unternommen gegen Sie?« »Nee. Aber er machte so Bemerkungen.«
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