Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
sie suchen dir, sie kennen dir mit dem Arm.« »Sie kriegen mich nicht, Eva, wenn ick nich will, kriegen sie mich nicht, kannst dich druff verlassen. Ich muß runter, an die Litfaßsäule. Ich muß det sehen. Ich muß det lesen im Lokal, in die Zeitungen, wat die schreiben, wie det war.« Und dann steht er vor Eva, starrt sie an, bringt kein Wort raus, wenn er jetzt bloß nicht lachen wird: »Kuck mir an, Eva, ist denn wat an mir, kuck mir an.« »Nee, nee«, sie schreit und hält ihn fest. »Na kuck mir an, ist wat an mir, an mir muß wat sinn.«
Nee, nee, sie schreit, und heult, und er geht zur Tür, lächelt, nimmt seinen Hut von der Kommode, ist raus.
Und siehe da, es waren Tränen derer,
die Unrecht litten und hatten keinen Tröster
Franz hat einen künstlichen Arm, den trägt er sonst selten, jetzt geht er damit auf die Straße, die falsche Hand in der Manteltasche, links die Zigarre. Er ist schwer aus der Wohnung gekommen. Eva hat gebrüllt und sich vor ihm hingeschmissen an der Korridortür, er hat ihr versprochen, nicht auszurücken und sich vorzusehen, er hat gesagt: »Ick komm zum Kaffee wieder ruff« und dann ist er runtergegangen.
Man hat Franz Biberkopf nicht erwischt, solange er nicht erwischt sein wollte. Es gingen immer zwei Engel neben ihm zur Rechten und zur Linken, die lenkten den Blick von ihm ab.
Nachmittags ist er um vier zum Kaffee oben. Herbert ist auch da. Da hören sie zum ersten Male Franzen lange sprechen. Er hat in der Zeitung unten gelesen, auch von seinem Freund, dem Klempnerkarl, hat er gelesen, daß der sie verpfiffen hat. Er weiß nicht, warum der das gemacht hat. Und der Klempnerkarl war auch mit in Freienwalde, wo sie die Mieze hin verschleppt haben. Das hat Reinhold mit Gewalt gemacht. Der hat sich ein Auto genommen und ist vielleicht ein Stück mit Mieze gefahren und dann ist Karl eingestiegen und sie haben sie zusammen festgehalten und nach Freienwalde geschleppt, vielleicht in der Nacht. Vielleicht haben sie sie schon unterwegs umgebracht. »Und warum hat Reinhold das gemacht?« »Der hat mir unter das Auto geschmissen, nu könnt ihrs ja wissen, der ist es gewesen, aber schadt nichts, ich bin ihm nicht böse darum, der Mensch muß wat lernen, wenn er nichts lernt, weiß er nichts. Dann läuft man wie ein Hornochse rum und von der Welt weiß man nichts, ick bin ihm nicht böse, nee nee. Jetzt wollte er mir unterkriegen, er hat gedacht, mir hat er in der Tasche und das ist nicht gewesen, das hat er gemerkt, und darum hat er mir die Mieze genommen und hat das an die getan. Was kann die aber davor.« Darum, ei warum, ei darum. Trommelgerassel, Bataillon marsch, marsch. Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, ei warum, ei darum, ei bloß wegen dem Tschingderada bumderada bum.
So bin ich bei ihm einmarschiert, und so hat er geantwortet, und es war verflucht und war falsch, daß ich marschierte.
Es war falsch, daß ich marschierte, falsch, falsch.
Aber das macht nichts aus, das macht jetzt nichts mehr aus.
Herbert reißt die Augen auf, Eva bringt keinen Ton raus. Herbert: »Warum hast du die Mieze nichts gesagt davon.« »Ich bin nicht schuld dran, dagegen kann man nichts machen, ebensogut hätte der mich totschießen können, wie ich auf seine Stube war. Das sag ich euch, dagegen gibts nichts.«
Sieben Häupter und zehn Hörner, in der Hand einen Becher voll Greul. Die werden mir nu schon ganz kriegen, dagegen gibts nun nischt mehr zu machen!
»Hättst du een Ton gesagt, Mensch, ich sag dir, die Mieze, die lebt heute noch, bloß een anderer, der hätte n Kopp unterm Arm.« »Ich bin nicht schuld dran. Was so einer tut, das kannste nie wissen. Du kannst ooch nich wissen, was er jetzt tut, das kriegste nich raus.« »Ick krieg et raus.« Eva bettelt: »Geh nich ran an den, Herbert, ick hab ooch Angst.« »Wir sehen uns schon vor. Erst mal rauskriegen, wo der steckt, und ne halbe Stunde druff, dann haben ihn die Bullen.« Franz winkt: »Du läßt die Finger von dem, Herbert, der gehört dir nicht. Gibst mir die Hand drauf?« Eva: »Gib sie ihm, Herbert. Und wat willst du denn tun, Franz?« »Wat liegt an mir. Mir könnt ihr aufn Misthaufen schmeißen.«
Und dann geht er rasch in die Ecke, stellt sich mit dem Rükken gegen sie.
Und ein Schluchzen, Schluchzen, Wimmern hören sie, er weint um sich und die Mieze, sie hören es, Eva weint und schreit über den Tisch, das Blatt mit »Mord« liegt noch auf dem Tisch, Mieze ist ermordet, keiner hat was getan, das ist über
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