Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Dicken die Zeitung weg.
Sind da zwei Bilder neben einander, was, was, furchtbarer, furchtbarer gräßlicher Schreck, det bin – ick doch, det bin ick doch, warum denn, wegen de Stralauer Straße, warum denn, gräßlicher Schreck, det bin ick doch und denn Reinhold, Überschrift: Mord, Mord an einer Prostituierten bei Freienwalde, Emilie Parsunke aus Bernau. Mieze! Wat is denn det. Ick. Hinterm Ofen sitzt ne Maus, die muß raus.
Seine Hand krampft das Blatt. Er läßt sich langsam runter auf den Sessel, er sitzt ganz in sich zusammengezogen. Was steht auf dem Blatt. Hinterm Ofen sitzt ne Maus.
Da gaffen die zwei Weiber, die weinen, die glotzen rüber, die zwei, wat is los, Mord, wie ist det, Mieze, ick bin verrückt, wie is det, was heißt det. Seine Hand hebt sich wieder auf den Tisch, da steht es in der Zeitung, mal nachlesen: mein Bild, ick, und Reinhold, Mord, Emilie Parsunke aus Bernau, in Freienwalde, wie kommt die nach Freienwalde. Was is denn das für ne Zeitung, die Morgenpost. Die Hand geht auf mit dem Papier, die Hand geht runter mit dem Papier. Eva, was macht Eva, die hat ihren Blick gewechselt, die fährt zu ihm rüber, sie heult nicht mehr: »Na, Franz?« Eine Stimme, einer spricht, ich muß was sagen, zwei Weiber, Mord, wat is Mord, in Freienwalde, ick habe sie ermordet in Freienwalde, ick war noch nie in Freienwalde, wo is det überhaupt. »Nu sag doch, Franz, wat sagste.«
Franz sieht sie an, seine großen Augen sehen sie an, er hält das Blatt auf der flachen Hand, sein Kopf zittert, er liest und spricht, stoßweise, er knarrt. Mord bei Freienwalde, Emilie Parsunke aus Bernau, geboren 12.Juni 1908. Is Mieze, Eva. Er kratzt sich die Backe, sieht Eva an, sein weiter, leerer, ungefüllter Blick, man kann nicht hineinsehen. Is die Mieze, Eva. Ja. Wat – sagste, Eva. Die is tot. Darum haben wir sie nich gefunden. »Und du stehst druff, Franz.« »Ick?«
Er hebt wieder das Blatt, sieht rein. Is mein Bild.
Sein Oberkörper schaukelt. Um Gotteswillen, um Gotteswillen, Eva. Ihr wird ängstlicher und ängstlicher, sie hat einen Stuhl neben seinen Sessel geschoben. Er schaukelt immer seinen Oberkörper. Um Gotteswillen, Eva, um Gotteswillen, um Gotteswillen. Und schaukelt immer so weiter. Jetzt fängt er an zu pusten und zu blasen. Jetzt hat er schon ein Gesicht, als obs ihn lächert. »Um Gotteswillen, wat wollen wir machen, Eva, wat wolln wir machen.« »Und warum ham sie dir denn da abgemalt?« »Wo?« »Da.« »Na, weeß nich. Gotteswillen, wat is denn det, wie kommt denn det, haha, is komisch.« Und jetzt blickt er sie hilflos zitternd an und sie freut sich, das is auch ein menschlicher Blick, ihr steigen wieder die Tränen aus den Augen, auch die Dicke fängt zu winseln an, dann legt sich sein Arm an ihren Rücken, seine Hand liegt auf ihrer Schulter, sein Gesicht ist an ihren Hals gepreßt, Franz winselt: »Wat is det, Eva, wat is mit unser Miezeken los, wat is denn passiert, die is tot, mit der is wat passiert, jetzt is es raus, die is nicht weg von mir, die hat einer umgebracht, Eva, unser Miezeken hat eener umgebracht, mein Miezeken, wat is denn los, is denn det wahr, sag mir, det is nich wahr.«
Und er denkt an Miezeken, da steigt etwas auf, eine Angst steigt auf, ein Schrecken winkt herüber, es ist da, ist ein Schnitter, heißt Tod, er kommt gegangen mit Beilen und Stangen, er bläst ein Flötchen, dann reißt er die Kiefer auseinander, dann nimmt er die Posaune, wird er die Posaune blasen, wird er die Pauken schlagen, wird der schwarze furchtbare Sturmbock kommen, wumm, immer sachte, rumm.
Eva sieht das langsame Knirschen, Mahlen seiner Kiefer. Eva hält Franzen. Sein Kopf zittert, seine Stimme kommt, der erste Ton knarrt, dann wird es leiser. Es ist kein Wort geworden.
Unter dem Auto lag er, das war wie jetzt, da ist eine Mühle, ein Steinbruch, der schüttet immer über mich, ich nehme mich zusammen, ich kann mich halten, wie ich will, es nutzt nichts, es will mich kaputt machen, und wenn ich ein Balken aus Eisen bin, es will mich kaputt brechen.
Franz knirscht und murmelt. »Es wird was kommen.« »Was wird kommen?« Was ist das für eine Mühle, die Räder drehen sich, eine Windmühle, eine Wassermühle. »Sieh dir vor, Franz, sie suchen dir.« Und ich soll sie umgebracht haben, ick, er zittert wieder, sein Gesicht kommt wieder ins Lächern, ick hab sie einmal gehauen, die denken woll, weil ich die Ida hingemacht habe. »Bleib sitzen, Franz, geh nich runter, wo willste denn hin,
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