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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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raus.«
    »Ich hab deutsch mit dem Chef gesprochen, darauf hat er mich angefahren. Abends hatte ich meine Kündigung auf den Ersten.«
    »Man soll nie deutsch reden in gewissen Situationen. Hätten Sie mit dem Mann französisch gesprochen, hätte er Sie nicht verstanden, und Sie wären noch drin.«
    »Ich bin noch drin, was denken Sie. Jetzt komm ich grade. Sie denken, ich werde ihnen das Leben leicht machen. Jeden Tag, Schlag zwei Uhr mittags, bin ich da und mache ihnen das Leben sauer: auf mich können Sie sich verlassen.«
    »Menschenskind, Menschenskind. Ich denke, Sie sind verheiratet.«
    Der stützt den Kopf auf: »Das ist das Gemeine, ich habs ihr noch nicht gesagt, ich kanns ihr nicht sagen.«
    »Vielleicht gibt sich die Sache wieder.«
    »Sie ist in anderen Umständen.«
    »Das zweite?«
    »Ja.«
    Der in der Pelerine zieht den Mantel dichter an sich, lächelt den andern spöttisch an, dann nickt er: »Na, ist ja schön. Kinder machen Mut. Sie könnens jetzt brauchen.«
    Der rückt vor: »Ich kanns nicht brauchen. Wozu denn. Ich hab Schulden bis da. Die ewigen Abzahlungen. Ich kanns ihr nicht sagen. Und dann einen rauszugraulen. Ich bin an Ordnung gewöhnt, und das ist ein Saubetrieb von oben bis unten. Der Chef hat seine Möbelfabrik, und ob ich Aufträge reinbringe für die Schuhabteilung, ist ihm eigentlich ganz gleich. Das ist es. Man ist das fünfte Rad am Wagen. Man steht im Büro rum und fragt und fragt: Sind nun endlich die Offerten rausgegangen? Welche Offerten? Sechsmal habe ichs ihnen gesagt, wozu laufe ich denn zur Kundschaft. Man macht sich lächerlich. Entweder er läßt die Abteilung eingehen oder nicht.«
    »Trinken Sie mal einen Schluck Tee. Vorläufig läßt er Sie eingehen.«
    Ein Herr in Hemdsärmeln kommt vom Billardtisch, tippt dem jungen auf die Schulter: »Eine Partie?«
    Der ältere für ihn: »Er hat einen Kinnhaken weg.«
    »Billard ist gesund für Kinnhaken.« Dann zieht er ab. Der in der Pelerine schluckt heißen Tee; ist gut, heißen Tee mit Zukker und Rum zu trinken und einen andern klönen zu hören. Es ist gemütlich in der Bude. »Sie gehen wohl heute nicht nach Hause, Georg?«
    »Hab keinen Mut, hab keinen Mut. Was soll ich ihr nur sagen. Ich kann ihr nicht ins Gesicht sehen.«
    »Gehen, immer gehen, ruhig ins Gesicht sehen.«
    »Was verstehen Sie davon.«
    Der legt sich, die Pelerinenenden zwischen den Fingern, breit über den Tisch: »Trinken Sie, Georg, oder essen Sie, und reden Sie nicht. Ich versteh was davon. Ich kenne den Zauber bis dahin. Wie Sie noch so klein waren, habe ich mir das schon abgelaufen.«
    »Soll sich mal einer in meine Lage versetzen. Eine gute Position, und dann versauen sie einem alles.«
    »Ich bin Oberlehrer gewesen. Vor dem Krieg. Als der Krieg losging, war ich schon wie jetzt. Die Kneipe war wie heute. Eingezogen haben sie mich nicht. Leute wie mich können sie nicht brauchen, Leute, die spritzen. Oder richtig: sie hatten mich eingezogen, ich dachte, der Schlag trifft mich. Die Spritze haben sie mir natürlich weggenommen und das Morphium auch. Und rin in den Betrieb. Zwei Tage habe ichs ausgehalten, so lange hatte ich noch Reserven, Tropfen, und dann adieu, Preußen, und ich in der Irrenanstalt. Dann haben sie mich laufen lassen. Na, was wollt ich sagen, dann hat mich auch die Schule geschaßt, Morphium, man ist ja manchmal im Tran, im Anfang, jetzt passiert einem das nicht mehr, leider. Na, und die Frau? Und das Kind? Nun ade, du mein lieb Heimatland. Mensch, Georg, ich könnte Ihnen romantische Geschichten erzählen.« Der Graue trinkt, beide Hände an dem Glas, trinkt langsam, innig, sieht in den Tee: »Ein Weib, ein Kind: es sieht aus, als wäre das die Welt. Ich habe nicht bereut, Schuld empfinde ich nicht; mit den Tatsachen, auch mit sich, muß man sich abfinden. Man soll sich nicht dicke tun mit seinem Schicksal. Ich bin Gegner des Fatums. Ich bin kein Grieche, ich bin Berliner. Warum lassen Sie den schönen Tee kalt werden? Nehmen Sie Rum zu.« Der Junge hält zwar die Hand über das Glas, aber der andere schiebt sie beiseite, gießt ihm aus einer kleinen Blechflasche, die er aus der Tasche zieht, einen Schuß ein. »Ich muß weggehen. Danke schön. Ich muß mir meinen Ärger auslaufen.« »Ruhig hierbleiben, Georg, ein bißchen trinken, dann Billard spielen. Bloß keine Unordnung einreißen lassen. Das ist der Anfang vom Ende. Als ich meine Frau und das Kind nicht zu Hause fand und bloß ein Brief da war, zur Mutter gegangen nach

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