Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
ist, muß recht bleiben. Ein Weib nach dem andern auf die Straße stoßen, dazu steh ich nich grade. Und das ist auch die wahre Liebe nicht.«
Frau Labschinsky ließ verächtlich ihren Busen wogen: Reinhold, der soll sich mal nicht auf den Frack treten von wegen sie. Sie ist schließlichement auch keine Anfängerin mit Männer. Franz fuhr fort: »Das höre ich mit Freuden, das genügt mir. Dann werden Sie wohl auch Bescheid wissen. Denn Sie tun ein gutes Werk und darum ist es mir grade zu tun. Die Weiber tun einem leid, die doch auch Menschen sind wie wir, und dann Reinhold selbst. Der geht Ihnen daran kaputt. Darum trinkt er auch schon kein Bier und kein Schnaps, nur dünnen Kaffee, der verträgt nicht einen Tropfen. Dann soll er sich lieber zusammennehmen. Der hat einen guten Kern in sich.« »Hat er, hat er«, weinte Frau Labschinsky, Franz nickte ernst: »Und darum ist es mir zu tun, er hat schon viel durchgemacht, aber so gehts nicht weiter, und da müssen wir die Hand vorhalten.«
Frau Labschinsky gab dem Herrn Biberkopf zum Abschied ihre starke Pranke: »Ich verlaß mich auf Sie, Herr Biberkopf.« Sie konnte sich auf ihn verlassen. Reinhold zog nicht aus. Er war ein seßhafter Mensch, aber durchschauen ließ er sich nicht. Drei Wochen war er schon über den Termin mit Trude zusammen, Franz wurde täglich von dem Weibsbild zum Rapport gerufen. Franz jubelte: Jetzt ist bald die nächste fällig. Jetzt heißts Achtung. Und richtig: zitternd meldet ihm eines Mittags Trude, Reinhold ist schon zwei Abende in der feinen Kluft ausgegangen. Am Mittag drauf wußte sie schon, wer es war: eine gewisse Rosa, Knopflochnäherin, Anfang Dreißig, den Nachnamen wußte sie noch nicht, aber die Adresse. Na, dann ist ja alles im Lot, lachte Franz.
Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Und das Schicksal schreitet schnell. Tragen Sie, wenn Sie am Schreiten behindert sind, Leisers Schuh. Leiser ist das größte Schuhhaus am Platze. Und wenn Sie nicht schreiten wollen, fahren Sie: NSU ladet Sie zu einer Probefahrt im Sechszylinder ein. Grade an diesem Donnerstag ging Franz Biberkopf mal wieder allein durch die Prenzlauer Straße, weil ihm eingefallen war, er wollte seinen Freund Meck aufsuchen, den er schon lange nicht gesehen hatte, so im allgemeinen, und dann wollte er ihm auch erzählen von Reinhold und den Weibern, und Meck sollte zusehen und bewundern, wie er, der Franz, einen solchen Kerl an die Kandare kriegt, und wie er ihn rumreißt, und der muß sich an Ordnung gewöhnen und gewöhnt sich auch dran.
Und richtig, wie Franz mit seinem Zeitungskasten in die Kneipe schiebt, wen erblicken meine Augäpfel? Meck. Sitzt da mit zwei andern und präpelt. Setzt sich also Franz gleich daneben und präpelt auch, und sie genehmigen, wie die beiden andern weg sind, auf Franzens Einladung ein paar große Mollen, und Franz erzählt nun gurgelnd und schluckend und Meck hört nun gurgelnd und schluckend und staunend und mit Befriedigung, was es für Menschen gibt. Meck will es auch ganz für sich behalten, aber es ist doch eine dolle Kiste. Franz strahlt und erzählt, was er geleistet hat in der Sache, wie er dem Reinhold schon die Nelly, wat eine Frau Labschinsky war, abgetrieben hat, und er hat drei Wochen über den Termin bei der Trude bleiben müssen, und jetzt ist eine gewisse Rosa da, Knopflochnäherin, aber dieses Knopfloch nähn wir ihm ooch zu. Und so sitzt Franz da dick vor seiner Molle, sitzt im Fett. Lobt froh, ihr Kehlen, ihr jugendlichen Chöre, es geht ein Rundgesang an unserm Tisch herum, wiedebum, es geht ein Rundgesang an unserm Tisch herum. Dreimal drei ist neuheune, wir saufen wie die Schweiheine, dreimal drei und eins ist zehn, wir saufen nochmal een, zwo, drei, vier, sechs, sieben.
Wer steht am Schanktisch, Tranktisch, Gesangtisch, wer lächelt in die rauchige Gestankbude? Das dickste aller dikken Schweine, Herr von und zu Pums. Der lächelt, was er so lächeln nennt, aber seine Schweinsäuglein suchen. Müßte schon einen Besen nehmen und ein Loch in diesen Qualm schlagen, wenn er was sehen wollte. Da klettern drei auf ihn zu. Also das sind die Jungs, die immer Kompaniegeschäfte mit ihm zusammen machen, dufte Brüder. Gleiche Brüder, gleiche Kappen. Jung am Galgen gehangen ist besser, als alt Zigarrenstummel suchen. Sie kratzen sich die Köpfe zu viert, sie meckern zusammen, sie suchen in der Bude. Müssen einen Besen nehmen, wenn sie hier was sehen wollen, ein Ventilator tuts auch.
Weitere Kostenlose Bücher