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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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ist da, was einen erschrekken könnte, Pflanzen verwesen in euch, Fische, Schnecken regen sich. Weiter nichts. Aber obwohl das ist, obwohl ihr nur Wasser seid, ihr seid unheimlich, schwarze Wasser, furchtbar ruhige Wasser.

Sonntag den 8.April 1928
    »Gibt es Schnee, vielleicht wird es noch mal weiß werden im April?« Franz Biberkopf saß am Fenster seiner kleinen Bude, stützte seinen linken Arm auf das Fensterbrett, legte den Kopf in die Hand. Es war nachmittags, Sonntag, warm, mollig in der Stube. Cilly hatte schon geheizt zu Mittag, jetzt schlief sie hinten im Bett mit ihrer kleinen Katze. »Gibt es Schnee? Ist so graue Luft. Wär ganz schön.«
    Und wie Franz die Augen zumachte, hörte er Glocken läuten. Er saß minutenlang still, hörte sie läuten: Bum, bim bim bum, bim bam, bumm bum bim. Bis er den Kopf von der Hand nahm und hörte: es waren zwei dumpfe und eine helle Glocke. Sie hörten auf.
    Warum läuten sie jetzt, fragte er sich. Da fingen sie mit einmal wieder an, sehr stark, gierig, tosend. Es war ein furchtbarer Krach. Dann hörten sie auf. Mit einem Schlag war es still.
    Franz nahm den Arm vom Fensterbrett, trat in die Stube. Cilly saß auf dem Bett, einen kleinen Spiegel in der Hand, hatte Lockennadeln zwischen den Lippen, summte freundlich, als Franz ankam. »Was ist denn heute los, Cilly. Ist Feiertag?« Sie arbeitete an ihrem Kopf. »Na ja, Sonntag.« »Nee Feiertag?« »Vielleicht katholischer, weiß nicht.« »Weil doch die Glocken so doll läuten.« »Wo?« »Na eben.« »Hab nichts gehört. Hast du was gehört, Franz?« »Na ja. Hat ja gedröhnt ordentlich, son Krach.« »Du hast wohl geträumt, Mensch.« Mein Schreck. »Nee, ich hab nicht geträumt. Ich hab da gesessen.« »Bist wohl eingeduselt.« »Nee.« Er blieb dabei, war ganz starr, bewegte sich langsam, setzte sich auf seinen Platz am Tisch. »Was träumt man so was. Ich habs aber doch gehört.« Er goß einen Schluck Bier herunter. Der Schreck wich nicht.
    Er sah zu Cilly herüber, die schon ganz weinerlich aussah: »Wer weeß, Cillyken, wem eben was passiert ist.« Und er fragte nach der Zeitung. Sie konnte lachen. »Ist doch jetzt nicht da, Sonntag niemals, Mensch.«
    Er suchte in der Morgenzeitung, sah auf die Überschriften: »Lauter Kleinigkeiten. Nee, das ist alles nichts. Ist gar nichts passiert.« »Wenns bei dir läutet, Franz, da wirste wohl in die Kirche gehen.« »Ach, laß mir mit die Pfaffen. Da hab ick nischt mit im Sinn. Bloß, dat ist doch so komisch: man hört was, und wenn man nachsieht, nachher ist nichts.« Er dachte nach, sie stand neben ihm, liebkoste ihn. »Ich geh jetzt mal runter, Luft schnappen, Cilly. Kleenes Stündchen. Will mal hören, ob was passiert ist. Abends gibts die ›Welt‹ oder ›Montag Morgen‹, da muß ich doch mal zusehen.« »Na du, Franz, mit deinem Gegrübel. Wird drinstehen: een Müllwagen hat ne Panne gehabt am Prenzlauer Tor, und der ganze Müll ist runtergelaufen. Oder, warte mal: ein Zeitungshändler hat Geld zu wechseln gehabt und hat aus Versehen richtig rausgegeben.«
    Franz lachte: »Na, nu geh ick. Adje, Cillyken.«
    »Adjes, Franzeken.«
    Darauf ist Franz langsam die vier Treppen heruntergegangen und hat Cilly nicht mehr wiedergesehen.
    Sie hat in der Kammer gewartet bis fünf. Wie er nicht kam, ist sie auf die Straße gegangen und hat in den Kneipen bis zur Prenzlauer Ecke nach ihm gefragt. Da war er überall nicht gewesen. Aber er wollte doch in der Zeitung wo nachlesen nach seiner dämlichen Geschichte, dachte sie, was er geträumt hat. Irgendwo ist er doch hingegangen. An der Prenzlauer Ecke sagte die Wirtin: »Nee, hier war er nicht. Aber der Herr Pums hat nach ihm gefragt. Und dann hab ich ihm gesagt, wo Herr Biberkopf wohnt, da wird er wohl hingegangen sein.« »Nee, bei mir war keener.« »Hat vielleicht nicht gefunden.« »Ja.« »Oder hat ihn vor der Tür getroffen.«
    Da saß Cilly bis zum späten Abend da. Die Kneipe füllte sich. Sie sah immer nach der Tür. Einmal lief sie auch nach Hause und kam wieder zurück. Bloß Meck kam, er tröstete sie und machte mit ihr ne Viertelstunde Spaß. Er sagte: »Der wird schon wiederkommen; der Junge ist Brotessen gewöhnt. Mach dir man keene Sorge, Cilly.« Aber während er das sagte, fiel ihm ein, wie Lina mal neben ihm gesessen hatte, und die hatte auch Franz gesucht, damals, wie das mit Lüders war, mit den Schnürsenkeln. Und er wäre selbst bald mitgegangen, als Cilly wieder auf die matschige dunkle Straße ging; aber

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