Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Meck stößt Franzen an: »Sie sind nicht komplett. Die brauchen noch Leute für ihre Ware, der Dicke kann nicht genug Leute kriegen.« »Bei mir hat er auch schon getippt. Aber werde ich mich mit dem einlassen. Wat soll mir Obst? Hat wohl viele Ware der?« »Weiß man, was der für Ware hat. Obst sagt er schon. Man muß nicht zuviel fragen, Franz. Aber ist gar nicht schlecht, sich an den zu halten, da fällt immer was ab. Ist ein Ausgekochter, der Alte, und die andern auch.«
Um acht Uhr 23 Minuten, 17 Sekunden tritt wieder einer an den Schanktisch, Tranktisch, einer, – eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, meine Mutter, die kocht Rüben – wer wird es sein? Sie sagen, der König von England. Nein, es ist nicht der König von England, wie er in großem Gefolge zur Parlamentseröffnung fährt, ein Zeichen für den Unabhängigkeitssinn der englischen Nation. Dieses ist er nicht. Wer ist es denn? Sind es die Delegierten der Völker, die in Paris den Kellogpakt unterzeichneten, umringt von 50 Photographen, das richtige Tintenfaß konnte seines großen Umfangs wegen nicht herbeigebracht werden, man mußte sich mit einer Sèvresgarnitur begnügen? Auch diese sind es nicht. Es ist bloß, es latscht an, die grauen Wollstrümpfe hängen, Reinhold, eine sehr unscheinbare Gestalt, ein Junge mausgrau in mausgrau. Die kratzen sich zu fünfen die Köpfe, suchen im Lokal. Müssen schon einen Besen nehmen, um hier was zu sehn, ein Ventilator täte es auch. Franz und Meck beobachten gespannt von ihrem Tisch die fünf Brüder, was sie machen werden und wie sie sich jetzt zusammen an einen Tisch setzen.
Nach einer Viertelstunde wird sich Reinhold eine Tasse Kaffee und eine Brause holen und wird dabei scharf in die Stube sehen. Und wer wird ihn dabei von der Wand her anlachen und ihm zuwinken? Beileibe nicht Dr.Luppe, der Nürnberger Oberbürgermeister, denn er hat an diesem Vormittag zum Dürertag die Begrüßungsansprache zu halten, nach ihm sprachen der Reichsinnenminister Dr.Keudell und der bayrische Kultusminister Dr.Goldenberger, auch diese beiden sind infolgedessen heut nicht hier anwesend und verhindert. Wrigley P. R. Kaubonbons bewirken gesunde Zähne, frischen Atem, bessere Verdauung. Es ist bloß Franz Biberkopf, der über die ganze Visage grinst. Mächtig freut er sich, daß Reinhold rankommt. Das ist ja sein Erziehungsobjekt, das ist ja sein Zögling, den kann er mal jetzt seinem Freund Meck servieren. Kuck mal an, wie der kommt. Den haben wir am Zügel. Mit seinem Kaffee und der Brause zieht Reinhold an, setzt sich zu ihnen, schnurrt in sich zusammen und stottert ein bißchen. Franz möchte ihm liebend gerne und neugierig auf den Busch klopfen, und Meck solls hören: »Wie gehts denn zu Hause, Reinhold, alles munter?« »Na ja, die Trude ist da, man gewöhnt sich.« Das sagt er so langsam, der tropft wie eine verstopfte Wasserleitung. Na, ist Franz glücklich. Er geht fast in die Höhe, so freut er sich. Das hat er geschafft. Wer denn, als wie icke. Und strahlt seinen Freund Meck an, der ihm Bewunderung nicht versagt. »Was, Meck, wir schaffen Ordnung in der Welt, wir schmeißen das Ding, uns soll einer kommen.« Franz klopft Reinholden auf die Schulter, die zurückzuckt: »Siehste woll, Junge, zusammennehmen muß man sich, dann geht es in der Welt. Ich sage immer: Zusammennehmen und durchhalten, dann soll einer kommen.« Und Franz kann sich gar nicht genug freuen über Reinhold. Ein reuiger Sünder ist besser als 999 Gerechte.
»Und was sagt denn Trude, staunt die nicht, wie alles friedlich geht? Und du, Mensch, biste nicht froh, daß du den ganzen Ärger los bist mit den Weibern? Reinhold, Weiber sind gut und können Spaß machen. Aber siehst du, wenn du mir fragst, was ich noch denke von die Weiber, dann sage ich: nicht zu wenig davon, aber auch nicht zuviel. Wenn zuviel ist, dann wirds gefährlich, die Finger davon. Da kann ich ein Lied von singen.« Lied von der Ida, Paradiesgarten, Treptow, Segelschuh und dann weiter Tegel. Triumph, das ist verklungen, versunken, trinke. »Ich wer dir schon helfen, Reinhold, daß das funktionieren wird mit den Weibern. Da brauchst du nicht zur Heilsarmee, besorgen wir alles besser. Na, prost Reinhold, eine Molle wirst du wohl noch vertragen.« Der stieß still mit seiner Kaffeetasse an: »Was kannst du da besorgen, Franz, warum, wieso?«
Donnerwetter, hätt ich mir bald verquatscht. »Ich mein bloß so, auf mich kannste dich verlassen, mußt dir ein Schnaps
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