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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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hat keine Schlange gefühlt. Hah, immer atmen, ruhig Luft holen. Franz wirft sich. Der Haß von Reinhold liegt auf ihm und streitet mit ihm. Der dringt durch die hölzerne Türe und weckt ihn. Auch Reinhold liegt. Er liegt neben der Trude. Er schläft fest, im Traum mordet er, im Traum macht er sich Luft.

Lokalnachrichten
    Das war in Berlin in der zweiten Aprilwoche, als das Wetter schon manchmal frühlingsmäßig war und, wie die Presse einmütig feststellte, herrliches Osterwetter ins Freie lockte. In Berlin erschoß damals ein russischer Student, Alex Fränkel, seine Braut, die 22jährige Kunstgewerblerin Vera Kaminskaja, in ihrer Pension. Die gleichaltrige Erzieherin Tatjana Sanftleben, die sich dem Plan, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, angeschlossen hatte, bekam im letzten Augenblick Angst vor ihrem Entschluß und lief fort, als ihre Freundin schon leblos zu Boden lag. Sie traf eine Polizeistreife, erzählte ihr die furchtbaren Erlebnisse der letzten Monate und führte die Beamten an die Stelle, wo Vera und Alex tödlich verletzt lagen. Die Kriminalpolizei wurde alarmiert, die Mordkommission entsandte Beamte an die Unglücksstelle. Alex und Vera wollten heiraten, aber die wirtschaftlichen Verhältnisse ließen die eheliche Vereinigung nicht zu.
    Weiterhin sind die Ermittelungen über die Schuldfragen an der Straßenbahnkatastrophe an der Heerstraße noch nicht abgeschlossen. Die Vernehmungen der beteiligten Personen und des Führers Redlich werden noch nachgeprüft. Die Gutachten der technischen Sachverständigen stehen noch aus. Erst nach ihrem Eingang wird es möglich sein, an die Prüfung der Frage heranzutreten, ob ein Verschulden des Führers durch zu spätes Bremsen vorliegt oder ob das Zusammenwirken unglücklicher Zufälle die Katastrophe veranlaßte.
    An der Börse herrschte stiller Freiverkehr; die Freiverkehrskurse lagen fester im Hinblick auf den eben zur Veröffentlichung gelangenden Reichsbankausweis, der ein sehr günstiges Bild zeigen soll bei einer Abnahme des Notenumlaufs um 400 Millionen und dem des Wechselbestandes um 350 Millionen. Man hörte 18.April gegen 11 Uhr I. G. Farb. 260 einhalb bis 267, Siemens und Halske 297 einhalb bis 299; Dessauer Gas 202 bis 203, Zellstoff Waldhof 295. Für deutsches Erdöl bestand bei 134 einhalb einiges Interesse.
    Um noch einmal auf das Straßenbahnunglück in der Heerstraße zu kommen, so befinden sich alle bei dem Unfall schwerverletzten Personen auf dem Weg der Besserung.
    Schon am 11.April war der Redakteur Braun durch Waffengewalt aus Moabit befreit. Es war eine Wildwestszene, die Verfolgung wurde eingeleitet, von dem stellvertretenden Präsidenten des Kriminalgerichts wurde sofort der übergeordneten Justizbehörde eine entsprechende Meldung gemacht. Zurzeit werden die Vernehmungen der Augenzeugen und der beteiligten Beamten noch fortgesetzt.
    Weniger beschäftigt sich um diese Zeit die Öffentlichkeit Berlins mit dem Wunsch einer der bedeutendsten amerikanischen Autofabriken, Angebote kapitalkräftiger deutscher Firmen zu erlangen für Alleinvertretung konkurrenzloser Sechsbis Achtzylinderwagen für Norddeutschland.
    Es diene schließlich zur Orientierung, und ich wende mich da besonders an die Anwohner des Telefonamts Steinplatz: In der Hardenbergstraße ist im Renaissancetheater unter reichen Jubiläumsehren das Stück »Cœur-Bube«, diese reizende Komödie, in der sich anmutiger Humor mit tieferem Sinn vereinigt, nun schon zum 100. Mal gespielt worden. Die Berliner werden durch Plakate aufgefordert, diesem Stück noch zu höheren Jubiläumsehren zu verhelfen. Man muß nun da freilich allerhand erwägen: Die Berliner können zwar allgemein aufgefordert werden, aber sie können doch durch allerlei Umstände verhindert sein, dem Ruf zu folgen. Sie können zunächst verreist sein und keine Kenntnis von der Existenz des Stückes haben. Sie können auch in Berlin sein, aber keine Gelegenheit haben, an der Litfaßsäule die Ankündigung des Theaters zu sehen, etwa weil sie krank sind und zu Bett liegen. Das ist in einer Viermillionenstadt schon eine erkleckliche Menge von Menschen. Immerhin könnte ihnen durch den Rundfunk, Werbenachrichten um 6 Uhr abends, mitgeteilt werden, daß »Cœur-Bube«, diese reizende Pariser Komödie, in der sich anmutiger Humor mit tieferem Sinn vereinigt, nun schon zum 100. Mal im Renaissancetheater gespielt wird. Die Mitteilung könnte ihnen aber höchstens ein Bedauern abringen, nicht nach der Hardenbergstraße

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