Berlin blutrot
gehen lassen! Jedenfalls nicht mit den Kindern oder gar mit Geld. Geschweige denn mit einem Anteil an dem Haus.
Noch immer konnte sie nicht ganz glauben, dass sie sich auf so etwas eingelassen hatte. Jahrelang, selbst als es anfing, mit Stefan nicht mehr gut zu laufen, hatte sie nicht einmal daran gedacht, fremdzugehen. Sie hatte oft genug erlebt, wie leicht Affären Beziehungen, sogar ganze Familien zerstören konnten. Nun, dachte sie erleichtert, sie würde mit Stefan sowieso nicht alt werden, weder in guten noch in schlechten Zeiten.
Dabei hatte es ihr nicht an Gelegenheiten gemangelt: Der Herstellungsleiter beim letzten Dreh war sehr deutlich geworden. Der dunkelblonde Schauspieler mit den vollen Lippen hatte ihr schon dreimal seine Handynummer („die ist geheim und nur für dich!“) gegeben. Ein befreundeter Produzent, der geschäftlich in Berlin zu tun hatte, rief sie eines Abends an
und lud sie ein, sich mit ihm auf einen Drink im Kempinski zu treffen. Spontan ließ sie sich eine Ausrede einfallen – die jüngere Tochter habe Fieber – und war nicht gegangen.
Jedes Mal, wenn ein Mann ihr ein eindeutiges Angebot machte, wies sie ihn ab und sagte, sie sei verheiratet und zwar glücklich. Auch wenn das gar nicht stimmte. Zu lange hatte sie sich auf Kompromisse eingelassen und Stefans Kontrollversessenheit ertragen. Auch damit würde nun Schluss sein. Es fiel ihr schwer, den aufgegabelten Lover nicht mit ihrem Mann zu vergleichen.
Im Bett ergriff immer Tatjana die Initiative. Nach den ersten Ehejahren hatte Stefans Interesse am gemeinsamen Sex deutlich nachgelassen. Auch wenn Frank in intellektueller Hinsicht
wenig zu bieten hatte, strahlte er puren Sex aus. Vögeln mit ihm war direkt, wild und äußerst intensiv. Geschlechtsverkehr mit Stefan war, nun ja, eheliche Pflicht eben. Wie ein Film, den sie schon tausendmal gesehen hatte, wusste sie immer ganz genau, was als nächstes kam. Wie eine Szene, in der sie selbst die Regie führte. Jedenfalls brauche ich Stefan meinen Seitensprung nicht mehr zu beichten, er weiß bereits alles. Naja, nicht alles, dachte sie böse lächelnd.
Sie zog Frank an sich. Während er schlaftrunken zögerte, fuhren ihre Hände über seinen Bauch, gruben ihre Nägel in seine Haut, bis er zu stöhnen begann und hellwach wurde. Sie presste sich gegen ihn, während er in sie eindrang. Noch hatte sie nicht genug. Sie tat so, als wehrte sie sich, tatsächlich aber streckte sie sich ihm entgegen, entschieden und lustvoll. Im Mondlicht sah ihr Körper weiß und elegant aus. Danach lag sie eng umschlungen mit ihm, nackt und ohne Decke auf dem Bett. Ein kühler Hauch zog durch das gekippte Fenster
und ließ ihre schweißnassen Körper frösteln.
Frank war auf der Stelle wieder eingeschlafen. Sie blickte in sein entspanntes Gesicht. Ein unschuldiger Junge. Und ein guter Zeuge.
Noch später in der Nacht wurde sie von dem leisen Geräusch geweckt. Sie war entgegen ihrer Absicht eingeschlafen! Ihr Herz schlug wie wild. War es nun so weit? Sie schlug die Augen auf und wartete. Zunächst dachte sie, sie hätte das Geräusch vielleicht doch nur geträumt. Aber sie konnte sich an nichts erinnern. Hatte sie die Alarmanlage eigentlich wieder eingeschaltet? Sie überlegte. Nein, das nicht. Die vorhandenen Sicherheitsgitter hatte Stefan beim Einzug abmontieren lassen: Ich möchte aus dem Fenster und nicht durch Gitterstäbe schauen!
Wenige Minuten später hörte sie die Schritte im Erdgeschoss. Angestrengt lauschte sie. War er schon in der Küche?
Hektisch schaute sie sich im Schlafzimmer um. Frank lag seelenruhig und tief schlafend neben ihr.
Die Ereignisse der letzten Monate in Grunewald kamen ihr für ihren Plan sehr gelegen. Neulich war ganz in der Nähe in einer Villa in der Koenigsallee eingebrochen worden. Nur wenige Straßen entfernt, sie erinnerte sich genau. Es waren sogar mehrere Überfälle im Laufe des letzten Jahres in der Nähe verübt worden, aber die Täter waren noch nicht gefasst. Stefan hatte ihr beim Frühstück davon erzählt. Das Muster war stets das gleiche: Die Bewohner wurden mit vorgehaltener Waffe gezwungen, den Safe zu öffnen. Wir haben auch zahlreiche Wertgegenstände, nicht nur den neuen 60-Zoll- Fernseher im Wohnzimmer. Und einen Safe. Die Gegend ist teuer genug, um Reichtümer hinter der schönen Fassade ihres Hauses zu vermuten.
Die „Grunewald-Bestien“, wie eine Boulevard-Zeitung sie nannte, gingen bei ihren Raubzügen mit äußerster Brutalität vor.
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