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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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weil sie in ihrem Job genügend Konflikte und kritische Situationen zu bewältigen hatte. In der Familie brauchte sie Frieden und Harmonie. Und dann waren da noch die beiden kleinen Mädchen, die ihren Vater abgöttisch liebten.
    Der junge Mann fragte Tatjana nach zwei hohen Schnapsgläsern. Dann nahm er Sahne aus dem Kühlschrank, schlug sie leicht auf und goss zunächst eine ordentliche Portion Galliano, dann den Kaffee und schließlich behutsam Sahne als Haube auf den cremigen Cocktail.
    Das warme Getränk in den drei unterschiedlich farbigen Schichten schmeckte aromatisch weich und feurig stark.
    „Das ist einer der besten Hot Shots, die ich jemals getrunken habe“, sagte sie, küsste ihn und leckte die Sahnereste aus seinen Mundwinkeln.
    Tatjana war eine Frau in den besten Jahren, Mitte vierzig und jetzt von einer Geilheit, die sie selbst erstaunte. In den letzten Stunden hatte sie mit dem Fremden mehr Sex gehabt als im vergangenen halben Jahr mit ihrem Mann. Traurig, aber wahr. In ihrer Ehe haperte es seit Jahren: Sie hatten nicht nur endlos ausdiskutierte, sondern auch viele unausgesprochene Probleme. Die Liebe ist längst weg. We are stuck. Ich kann nicht mehr. Unter dem stöhnenden Unbekannten hatte Tatjana plötzlich einen Moment lang das Gefühl, dass ihr die ganze Zeit nichts weiter gefehlt hatte als ein ordentlicher Fick. Nein, das stimmt nicht. Mir fehlt nicht nur etwas, sondern mir hängt das ganze Kontrollprogramm ‚Stefan‘ seit langem zum Hals raus! Auch wenn es von außen so aussieht, als wären wir ein glückliches Paar.
    Sie wollte das Leben in seiner aufregenden Buntheit noch richtig spüren, bevor es an Tempo und Kraft verlieren würde. Sollten die anderen es Midlifecrisis oder wie auch immer nennen.
    Ich will lieben und geliebt werden! Ich will genießen!
    Aber sie wusste genau, dass Stefan dieser neuen Tatjana dabei im Weg stand. Nach vielen gescheiterten Gesprächsversuchen über eine einvernehmliche Trennung musste sie sich eingestehen, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der sie niemals gehen lassen würde.
    Eigentlich wollte sie den Abend allein verbringen und sich zu Hause in Ruhe vorbereiten. Milena und Lisa verbrachten die beiden Wochen Herbstferien mit Schulfreundinnen aus dem Gymnasium bei Gastfamilien aus dem Austausch-Programm in der Bretagne. Tatjana hatte erst am Vormittag mit Milena, der älteren Tochter, telefoniert. Es ging ihnen gut, sie hatten
    jede Menge Spaß und büffelten sogar freiwillig in den Ferien Französisch-Vokabeln und Grammatik.
    Stefan war übers Wochenende nach Göttingen gefahren und wollte erst am Dienstagabend wieder zurück nach Berlin kommen. Bis dahin würde er sie jeden Tag mindestens fünf
    Mal anrufen. Er hatte vor, mit der Mutter zusammen den Nachlass des im vorigen Jahr verstorbenen Vaters durchzusehen und verschiedene Arbeiten in ihrem Garten zu erledigen, den er wie jedes Jahr winterfest machte.
    Tatjana wollte nach dem entspannenden Kräuterbad und der Gesichtsmaske in Ruhe nachdenken. Eine schöne Flasche Rotwein hatte sie bereits geöffnet und auf das Tischchen neben den Kamin gestellt. Dann aber rief ihr schwuler Produzentenfreund Michel an und überredete sie, am frühen Abend zur Ausstellungseröffnung in der noblen Fasanenstraßengalerie mitzukommen. Zwar interessierte sie sich nicht sonderlich für hyperrealistische Acryl-Bilder und Skulpturen des angesagten Künstlers, sagte aber trotzdem
    zu. Sie hatte eine anstrengende Drehwoche mit zahlreichen Umzügen und vielen Bildern bei zu knappem Zeitpensum hinter sich. Und heute stand sie unter starker Spannung. Michels Einladung war bestens geeignet, um sie etwas abzulenken.
    Während Michel sie in der Galerie überschwänglich begrüßte, mit Komplimenten überschüttete und viermal auf die Wangen küsste, sah sie den attraktiven jungen Mann allein an der improvisierten Theke stehen. Irgendwie passte er nicht richtig hierher. Die meisten Gäste der Vernissage kannten sich und trugen konservative, meist schwarze Kleidung. In den
    engen zerrissenen Jeans und dem knappen weißen T-Shirt, das seine trainierte Brustmuskulatur gut zur Geltung brachte, sah er sehr sexy aus. Sie überlegte, ob er wohl der Richtige für ihr Vorhaben sein könnte.
    Tatjana nahm ein Glas Champagner vom Tablett der Bedienung und trank es gierig in einem Zug aus. Die Galerie füllte sich zunehmend. Es wurde eng, heiß und stickig. Sie plauderte mit Michel und seinem Freund, der als Kostümbildner beim Film

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