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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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drei oder vier Feste waren völlig verregnet und viel zu kühl, sodass statt der Rekordzahl von 1,5 Millionen Besuchern jeweils »nur« um die 600.000 kamen. Immer noch eine gewaltige Menge, insbesondere wenn man bedenkt, dass 1996 beim ersten Karneval der Kulturen gerade einmal 50.000 Zuschauer am Straßenrand standen.
    Aber dieses Jahr ist es warm – es ist voll – es ist toll!
    Und ich werde diese Pfingsten für einen ganz besonderen Special Effect sorgen. Zu diesem Zweck habe ich einen Freund beauftragt, meine Sporttasche in einem Gebüsch in der Nähe der vatikanischen Botschaft zu verstecken. Unter dem Vorwand, aufs Klo zu müssen, setze ich mich von meinen Begleitern ab und wechsle in der Toilette des Brauhauses am Südstern meine Kleidung.
    Einige Minuten später erscheint eine erstaunlich behaarte, geheimnisvoll verschleierte Bauchtänzerin und mischt den Zug als Einzelgängerin zwischen einem brasilianischen und einem kolumbianischen Wagen so richtig auf. Die Leute am Straßenrand johlen ausgelassen und klatschen im Rhythmus ihrer lasziven Bewegungen. Nur am Südstern steht eine Frau in einem ultrabunten Rock, die sich für die Darbietung offensichtlich gar nicht erwärmen kann. Mir dünkt, es ist die scharfsichtigste Ehefrau von allen.

    Berlins zweites Großereignis: die Berlinale
    Das größte Publikumsfestival der Welt, die Internationalen Filmfestspiele Berlin, findet alljährlich im Februar statt und ist eines der weltweit bedeutendsten Filmfeste. Eine internationale Jury vergibt an die Preisträger des Jahres Goldene und Silberne Bären. Das Festival wächst stetig. Inzwischen werden während der zehn Festivaltage gut 400 Filme präsentiert, mehr als 230.000 Eintrittskarten verkauft und rund 20.000 Fachbesucher aus 120 Ländern gezählt. Circa 4.200 Journalisten berichten in die ganze Welt. Zeitgleich zur Berlinale findet der European Film Market (EFM) statt, der zu den international wichtigsten Treffen der Filmindustrie gehört und sich zu einem bedeutenden Marktplatz für Produzenten, Verleiher, Filmeinkäufer und Co-Produktionsagenten etabliert hat.

    Berlins drittes Großereignis: die 48 Stunden Neukölln
    Die seit 1999 jährlich im Frühsommer stattfindenden »48 Stunden Neukölln« sind inzwischen das größte Kunst- und Kulturfestival Berlins. Allein 2010 wurden bei diesem Event der Superlative weit mehr als 700 Einzelveranstaltungen an über 350 Neuköllner Spielorten realisiert. Da soll noch mal einer behaupten, es gebe keine Kultur in Neukölln!
    Der Grundgedanke des Events ist simpel: Sämtliche künstlerischen und kulturellen Aktivitäten des Bezirks sollen an einem festen Termin des Jahres gebündelt werden und alle Organisationen, Initiativen, Künstler und Kulturschaffenden Neuköllns sollen dabei mitmachen. In den ersten fünf Jahren trauten die Organisatoren der Anziehungskraft einer reinen Kulturveranstaltung nicht so recht und verbanden das Spektakel mit einem großen Straßenfest. Was dazu führte, dass im Laufe der Zeit der lärmende, alkoholgeschwängerte Teil der Veranstaltung überhandzunehmen drohte. 2004 zogen die Organisatoren daher die Reißleine und koppelten das Straßenfest von den »48 Stunden Neukölln« ab. Dies erwies sich als ein kluger Schachzug, denn seitdem steigen die Besucherzahlen von Jahr zu Jahr kräftig an. 2010 zählte man 70.000 Besucher.

125 Jahre und kein bisschen leise
    Nachdem Karl noch den gesamten Pfingstmontag auf seine ihm eigene verklemmte Art von der unglaublich erotischen Bauchtänzerin auf dem Kulturenkarneval geschwärmt hat und anscheinend weiterhin nicht ahnt, wie nah er diesem wunderbaren Wesen schon gekommen ist, möchte er heute ins Café Kranzler. Mal ganz ehrlich – manchmal frage ich mich, ob unser Gast ausreichend Lebenserwartung hat, um biologisch so alt zu werden, wie seine Hobbys heute schon sind. Er liebt Kaffee und Kuchen, und ich weiß aus sicherer Quelle – nämlich von der informativsten Ehefrau von allen –, dass Karl Rheumadecken sammelt. Die er auf kostenlosen Kaffeefahrten ersteht. Da kreuzt sich seine Altbackenheit mit schwäbischer Sparsamkeit. Deswegen liebt er auch Sonderangebote aller Art. Vor einigen Tagen kam er mit einem BH Größe 110 Cup A nach Hause. War ein Schnäppchen. Meine Frau hat sich fast totgelacht.
    Als Karl pikiert fragte, warum sie so lacht, war ihr Kommentar: »Karl, ehrlich, dieser BH passt vielleicht Vladimir Klitschko, aber bestimmt keiner normalen Frau.«
    Egal, heute ist Pfingstdienstag

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