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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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treffen, um darüber zu debattieren. Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, das auf der anderen Spreeseite steht, beherbergt die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt – größere haben nur Washington und Tokio. Im Jakob-Kaiser-Haus an der Wilhelmstraße befinden sich die meisten Abgeordnetenbüros.
    Gegenüber von Reichstag und Paul-Löbe-Haus steht das Bundeskanzleramt, im Volksmund gern als »Elefantenklo« oder »Bundeswaschmaschine« verspottet. Bis auf das Kanzleramt sind all die genannten Gebäude auch unterirdisch miteinander verbunden.
    Darüber hinaus gibt es diverse andere Liegenschaften des Parlaments. Zum Beispiel Unter den Linden 50 und Unter den Linden 71, in denen Teile der Fraktionen und einige Abgeordnetenbüros untergebracht sind. Die Gebäude liegen neben der russischen und gegenüber der alten US-Botschaft. Das finde ich super – da haben beide Geheimdienste eine faire Chance, die deutschen Volksvertreter abzuhören. Die russische Botschaft ist besonders eindrucksvoll – all das viele Gold! Da ist der Rubel beim Bau echt gerollt.
    Der Polizei- und Sicherungsdienst sitzt im Reichstag Eingang Nord – da haben die sogar einen Verhörraum, den man nur von außen oder per geheimen Knopf öffnen kann. Die Fenster sind komplett vergittert. Erinnert ein bisschen an einen Hochsicherheitstrakt. Da fragte ich mich schon, für welche Art Delinquenten dieser Raum eigentlich gedacht war. Vielleicht für Abweichler von der Fraktionslinie?
    Witziger fand ich den Andachtsraum in der ersten Etage des Reichstags. Da gab es sogar ein Taufbecken! Erst spät wurde ich aufgeklärt, dass das kein Taufbecken, sondern ein Weihwasserbecken für die Katholiken ist. Damit sie sich vor und nach der Andacht mit Weihwasser bekreuzigen können. An Muslime ist aber auch gedacht: Es gibt dort eine Stufe, auf der man in Richtung Mekka beten kann.
    Die Eingangswoche war ganz easy. Dann wurde auf einmal alles anders. Mein erster Sitzungstag! War der gesamte Parlamentsbetrieb in der Woche vorher eher ruhig und gemächlich, wirkte er plötzlich wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen, in den ein Elefant getreten ist.
    Alle rannten wild durcheinander und waren auch plötzlich ganz anders angezogen.
    Während in der ersten Woche Jeans und Turnschuhe das Bild bestimmten, liefen auf einmal alle schick in Anzug und Kostüm herum. So viele elegant gekleidete Menschen hatte ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Und alle schleppten riesige Aktenstapel mit sich herum.
    Kurz nach drei Uhr nachmittags geschah das für mich Unerwartete. Im Plenarsaal hob ein irrsinniges Geschrei an. Beschimpfungen flogen durch den Raum und gut gekleidete erwachsene Menschen schrien in höchster Lautstärke und mit gewaltigem aggressiven Potenzial aufeinander ein.
    Mir war klar: Hier ist Gefahr in Verzug! Oft genug hatte ich ähnliche Situationen am 1. Mai in Kreuzberg erlebt. Es galt also, drohende Gewalttätigkeit zu verhindern. Aber wie?
    Ich stand in der Höhe des Westeingangs – da wo über dem Eingangstor in gotischen Lettern »Dem deutschen Volke« steht.
    Direkt vor mir gab es drei Türen. Über der ersten stand »Ja«, über der zweiten »Nein« und über der dritten »Enthaltung«. Das wäre mal was für die unentschlossenste Ehefrau von allen gewesen!
    Aber mir fiel die Entscheidung auch nicht leicht. Um mich nicht mit womöglich unabsehbaren Folgen unnötig festzulegen, rannte ich durch die Tür, auf der »Enthaltung« stand – um für alle Fälle gerüstet zu sein mit der Hand am Pistolenhalfter.
    »Aufhören! Sofort aufhören!! Ich löse diese Versammlung auf! Verlassen Sie alle den Raum! Ich verweise Sie dieses Ortes!«, brüllte ich mit demonstrationserfahrener Stimme.
    Mein Auftritt war ein durchschlagender Erfolg.
    Die Abgeordneten schrien sofort noch lauter, allerdings nun auf einmal alle in meine Richtung. Manche warfen sich in Panik auf den Boden. Andere krochen unter ihre Tische. Da im Plenarsaal nur die ersten Reihen mit Tischen bestückt sind, mussten die hinteren Abgeordnete ersatzweise unter ihre Stühle krabbeln. Das sah sehr lustig aus.
    Die vor mir im Staub kriechenden Volksvertreter entfachten in mir unklugerweise einen gewissen Übermut. Ich kam so richtig in Fahrt!
    »Benehmen Sie sich gefälligst anständig – verlassen Sie den Saal geordnet. Einer nach dem anderen.«
    Da klopfte mir jemand vorsichtig auf die Schulter. Ein Kollege.
    »Murat, was machst du da?«
    »Ausschreitungen verhindern!«, bellte ich im Brustton der

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