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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Überzeugung.
    »Aber lieber Kollege. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so aussieht: Das ist keine verbotene Demo – das ist eine Plenarsitzung. Das muss so sein.«
    Ich war völlig platt. Was in Kreuzberg oder Neukölln zu Massenverhaftungen geführt hätte, war hier normal?
    »Was? Echt?«
    Als die Abgeordneten sahen, dass ich unsicher wurde und damit an Autorität verlor, kamen sie unter ihren Tischen und Stühlen langsam wieder hervor.
    Irgendjemand schrie voller Empörung: »Jetzt sieht man, was dabei herauskommt, wenn man Türken zu Polizisten macht!« Und zack, schon ging der Tumult wieder los. Mein Kollege fasste mich am Arm und zog mich, sozusagen das Corpus Delicti, vorsichtig aus dem Plenarsaal hinaus.
    Einige Stunden später lernte ich, dass mit dem Sicherheitsdienst des Deutschen Bundestages nicht zu spaßen ist. Ich wurde zwar nicht im vergitterten Verhörzimmer eingesperrt, bekam aber kurzerhand Hausverbot.
    Wenn ich am Osteingang, wo die Politiker rein- und rausgehen – vorbeikäme und einer von ihnen würde überfallen, dürfte ich nicht helfen. Selber schuld, kann ich da nur sagen. Aber dass ich Karl die Sache mit dem Hausverbot nicht erzählen kann, dafür haben Sie nun sicher Verständnis. Denn als Nächstes würde es dann brühwarm meine Frau von ihm erfahren.

    Das Automobil Forum Unter den Linden
    An der Ecke Unter den Linden und Friedrichstraße stößt der Flaneur auf einen großen Autosalon mit Luxuswagen der Marken Bentley, Bugatti, Seat, Skoda und Volkswagen. Dies ist das Automobil Forum der Firma Volkswagen, welches seinen besonderen Reiz daraus bezieht, dass in seinem Keller wechselnde, aber immer hochinteressante Foto-, Kunst- und Wissenschaftsausstellungen gezeigt werden. Einschlägig Interessierten rate ich wärmstens dazu, das jeweils aktuelle Programm zu studieren. Selbst sparsame Schwaben wie Karl können sich hier reuelos einen interessanten Nachmittag machen, denn: Der Eintritt ist frei!

    Automobil Forum Unter den Linden
    Unter den Linden 21, 10117 Berlin-Mitte, täglich 10–20 Uhr

Berlin alaaf
    Die schlaueste Ehefrau von allen weiß, was sie sagen muss, um ihren Ehemann, also mich, unglücklich zu machen. Sie schafft das mit sechs Worten. Drei Worte brauchte sie bei unserem ersten Rendezvous, um mich sehr glücklich zu machen – vor dem Standesbeamten dann nur ein Wort, um mich selig zu machen, und jetzt sechs Worte und meine heile Welt zerspringt endgültig in Scherben.
    »Karl bleibt noch ein paar Tage.«
    Auch wenn ich mich an den schrägen Sonderling inzwischen fast schon gewöhnt habe, irgendwann muss alles auch mal ein Ende haben.
    »Hat Karl kein Zuhause?«, frage ich genervt.
    »Nee, hat er nicht.«
    Jetzt ist es raus. Die ganze Zeit über ahnte ich, dass mir die Schwabenmafia etwas Wesentliches verheimlicht. Es stellt sich heraus, dass Karl aus seiner Heilbronner Wohnung geworfen wurde, weil ... ja warum eigentlich? Die diskreteste Ehefrau von allen schützt vor, nichts zu wissen.
    Als ich den Entwurzelten selbst frage, zeigt Karl sich von seiner Dr.-Jekyll-Seite: schweigsam.
    Da er nichts sagen, ich aber alles wissen will, setze ich meine schärfste Waffe ein: meine Frau. Wenn sie mich schon mit Karl unglücklich macht, möchte ich wenigstens wissen, wie ihn sich andere vom Hals geschafft haben – vielleicht ist dieses Wissen ja hilfreich.
    Nach reichlichem Hin und Her stellt sich heraus, dass Karl so anhänglich ist, weil er eine Wohnung in Berlin sucht. Er ist aus seiner Schwabenwohnung geflogen, weil er den Nachbarn, die dummerweise gleichzeitig seine Vermieter waren, mit seiner ständigen Besserwisserei auf die Nerven ging. Was der wahre Grund für seine Kündigung in der Sonderschule ist, versuche ich schon gar nicht mehr herauszufinden.
    Tatsache ist: Wir haben Karl nun sozusagen geerbt.
    Alles klar. Es ist, wie es ist. Aber ich gebe zu: Ich bin sauer! In wenigen Tagen ist nämlich Pfingsten. Was interessiert den Osmanen Murat Topal ein derart urchristlicher Feiertag, werden Sie sich jetzt fragen. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie denken zu kurz.
    Pfingsten hat in Berlin definitiv wenig mit dem Heiligen Geist, dafür aber viel mit multikulturellem Budenzauber zu tun. Es ist nämlich Karneval der Kulturen! Und das ist in Westberlin der größte Feiertag des Jahres. Multikulti pur and at its best – wie die Engländer sagen würden.
    Und von denen hat Berlin das Konzept ja abgekupfert. Genauer gesagt von den Briten und den

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