Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
1
Butz presst das Handy ans Ohr und stößt die Wagentür mit dem Fuß auf.
„Und?“
„Es haben sich ein … Konstantin?“ Es ist Claires Stimme.
„Ich bin dran.“
„Es haben sich ein paar Veränderungen ergeben.“
„Ja?“
„Lass uns morgen früh drüber sprechen.“
Bis dahin kann sonst was geschehen! Butz wirft die Wagentür hinter sich zu und geht zu dem Hauseingang, neben dem er in zweiter Reihe geparkt hat. Vor seinem Wagen stehen bereits das Fahrzeug seines Assistenten Micha, ein Van der Kriminaltechniker und ein Mannschaftswagen der Schutzpolizei.
„Claire … wir müssen nicht unendlich lange jetzt - “
„Butz, ich sage dir, es ist kompliziert … “
„Ich will nicht alles durchsprechen, Claire, es geht nur um … “‚ ‚Frederik Barkar‘, will er sagen, ‚den Boxer‘ - aber es stimmt schon, so einfach ist das nicht.
„Hörst du nicht!“ Claires Stimme klingt jetzt deutlich aufgebracht. „Willst du mich wirklich dazu zwingen , es dir am Telefon zu erklären!“
Was erklären? Dass sie …
… mich - was?
Verlässt?
„Morgen früh. In aller Ruhe!“
Am liebsten würde Butz nachgeben, Claire ihren Willen lassen … aber kann er das? Darf er das?
„Ich kann nicht bis morgen früh warten, Claire. Es geht nicht nur um uns. Vielleicht auch um den Fall, an dem ich arbeite.“
Butz drückt gegen die Haustür, die er inzwischen erreicht hat. Das Schnappschloss klickt und die Tür schwingt auf. Butz durchquert den Flur dahinter und gelangt zu einer schmalen Treppe, die in das Vorderhaus hochführt. Zweiter Stock hat Micha gesagt. „Wo bist du?“
Er hört Claire ins Handy atmen. Ist es Zufall, dass Barkar ausgerechnet jetzt bei ihnen aufgetaucht ist - jetzt, wo Butz angefangen hat, in einer Mordserie zu ermitteln, wie sie Berlin noch nicht erlebt hat?
„Ich schalte mein Handy jetzt aus, Konstantin.“ Claire Stimme klingt fremd. „Ich werde versuchen, morgen früh in unsrer Wohnung zu sein.“
„Warte! Begreifst du denn nicht - du bist in Gefahr - “
Butz bleibt auf dem Treppenabsatz vor Fehrenbergs Wohnungstür stehen. Hat Fehrenberg eigentlich mit seiner Freundin und dem Kind zusammengewohnt?
Er tippt gegen die nur angelehnte Tür. „Ich habe mit Frau Bastian gesprochen, Claire, das ist die Sekretärin vom Polizeidirektor … “
Die Tür gleitet zurück und gibt den Blick in den Wohnungsflur frei.
„Sie hat mir Fotos aus einer Boxhalle gezeigt.“
Ist Claire noch dran?
Butz hält eine Hand auf das Mikro des Handys, ruft in den Flur. „Micha?“
Betritt die Wohnung. „ … bist du noch dran?“ - wieder ins Handy zu Claire.
„Ja, ja, ich bin noch dran.“
„Ich hab dich auf den Bildern gesehen, Claire.“ Wieso steht kein Schutzpolizist am Eingang der Wohnung? Hier kann ja sonst wer rein!
„Micha!“ Laut, durchdringend.
„Was?“ - Claires Stimme kommt leicht verzerrt aus dem Telefon.
„Sorry Claire, nein, nicht du … ich hab Micha gerufen, ich bin hier … “
Da sieht er es.
„Ich muss jetzt auflegen, Konstantin.“
Butz hat die Tür zum ersten Zimmer erreicht.
In der Leitung klickt es. Claire hat aufgelegt.
Es kommt ihm so vor, als würde sich die Zeit dehnen.
Der Kopf ist nach hinten geknickt. Der Unterkiefer ausgehakt. Die Pupillen sind direkt auf Butz gerichtet. Aber der Blick ist gebrochen und in der Wange klafft ein Loch. Butz kann die Backenzähne durch es hindurch sehen - sie sind blutig verschmiert und an einer Stelle geborsten. Das Gesicht wirkt, als würde die Leiche grinsen.
Noch immer presst Butz sein Handy ans Ohr. Seine Lippen bewegen sich - aber es kommt kein Laut daraus hervor.
Micha.
Es ist sein Assistent Micha, der in dem Raum liegt und ihn mit erloschenem Blick angrinst.
2
Zwei Jahre vorher
Lieber Till,
Du hast es wahrscheinlich schon gesehen, ich habe die Einladung ja mit ins Kuvert gesteckt: Betty heiratet - und zwar schon nächsten Monat! Du kannst Dir sicher vorstellen, wie sehr ich mich freue. Für sie … und weil ich hoffe, dass Du nun endlich einmal zu uns nach Berlin kommen kannst. Kennst Du Henning eigentlich? Betty hat ihn über Max kennengelernt und ist bis über beide Ohren verliebt. Damit wird sie, die Jüngste von uns, nun tatsächlich die erste sein, die heiratet. Wer hätte das gedacht!
Von Max hast Du sicher gehört. Er ist seit letztem Herbst wieder in Berlin und hat sich eine Wohnung in der Stadt genommen. Ich liebe es, ihn dort zu besuchen, auf dem Balkon zu sitzen und
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