Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
das Wasser kräuselt. Seine Hand berührt die Scheibe vor ihm. Sie vibriert. Dann ist erneut ein tiefes Poltern zu hören.
Erschrocken blickt Malte zu seinem Begleiter. „Hier fass mal an - das ganze Ding zittert!“
Das Knacken ist so hell, dass es Malte für einen Augenblick so vorkommt, als würde sein Schädel gespalten.
Ein spitzer Lichtstrahl trifft ihn - wahrscheinlich von einem der Scheinwerfer aus dem Becken, die sich durch die Erschütterung verdreht haben.
Er hat nicht einmal Zeit, die Augen zu schließen.
Alles geschieht auf einmal.
Innerhalb von Sekunden steht der Raum hüfthoch, schulterhoch unter Wasser.
Die Welle, die aus dem Bruch in der Glasscheibe hervorschießt, reißt den Begleiter von seiner Seite. Malte wird gegen die Saalwand geschleudert, die Beine über sich, die Schultern erst auf dem Boden, dann an der Wand. Der Druck der Wassermassen ist so gewaltig, dass er die Bewegungen seiner Arme nicht kontrollieren kann. Das Rauschen und Gurgeln scheint regelrecht durch ihn hindurchzugehen. Malte schlägt mit dem Kopf an einer Kante an, fühlt sich im Schwarz versinken - und weiß doch zugleich, dass er ertrinkt, wenn er jetzt das Bewusstsein verliert. Er rollt sich um sich selbst, wird in eine Ecke des Raums gespült, findet für einen Moment dort Halt - bis ihn das Wasser wieder losreißt und über den Boden schleudert.
Einen Schrei oder das Splittern des Glases hat Malte nicht gehört, nur das Rauschen der Hektoliter, die sich in den Saal ergießen, herausklatschen aus dem Bassin - und durch die gewaltigen, vergitterten Öffnungen stürzen, mit denen der Boden durchzogen ist.
Maltes Ohr, mit dem er gegen die Wand geprallt ist, glüht - Kälte überzieht seinen durchtränkten Körper. Das Rauschen des Wassers dröhnt in der Tiefe des Schachts, der sich unter den Gittern öffnet. Der ganze Saal ist erfüllt von den Geräuschen des Tropfens, Rinnens, Glucksens, Gluggerns - wie nach einem Wolkenbruch, der alles überschwemmt hat. Doch so mächtig die Wassermassen auch waren, die einmal über den Saal hinweg gegangen sind - Sekunden später sind sie doch durch die Gitteröffnungen hindurch verebbt.
Malte blinzelt. Er liegt in einer Ecke, in die er von den Wellen gepresst worden ist. Das Bassin ist leer, die Scheibe zerborsten. Wenige Schritte von ihm entfernt kauert eine schwarze, feuchte Masse auf dem Boden - eingefallen, schlaff und glitschig. Weiter hinten sieht er den entblößten Leib der Frau liegen, die Arme neben dem Kopf, halb auf die Seite gerollt, die Hüfte nach oben stehend.
Malte richtet sich auf. Langsam nimmt die Hitze in dem Saal wieder überhand, die Feuchtigkeit verdunstet, es ist schwül und die Abkühlung verpufft. Ohne zu dem schwarzen Fischberg zu schauen, der immer weiter auseinanderzufließen scheint, läuft Malte gebückt zu der Frau und kniet sich neben sie. Ihre Augen sind geschlossen, wie von selbst legt sich seine Hand auf ihre Haut. Sie ist kühl und warm zugleich, feucht noch und glatt. Unter seiner Berührung scheint sie geradezu zu erwachen, sich aufzurichten, anzuspannen -
Malte kann nicht anders. Mit einer unwillkürlichen Bewegung streift er die durchnässten Hosen von seinen Hüften und berührt vorsichtig das Becken der Frau. Langsam sinkt ihr Körper vor ihm auf den Rücken. Seine Hände ertasten ihre Flanken, ihre Schenkel, die von den Wassermassen noch glänzen - und er fühlt, wie er auf sie zu liegen kommt. Im eisernen Griff des Verlangens jetzt, wie geknechtet von ihrer Schönheit - von dem, was ihre Rundungen, ihre Lippen, ihr Haar und das Atmen, das er von ihr vernimmt, in ihm anrichten und ihm versprechen.
Schon gibt es nur noch eine Richtung, ein Vorwärts, ein Drängen, eine Erlösung für die Gier, die in ihm tobt, die ihn versteinern lässt, die der Anblick der Frau in ihm entfacht -
da sieht er, wie ihre Wimpern sich heben, ihre Augen sich vor ihm öffnen, die Pupillen erst geweitet, bevor sie sich zusammenziehen und auf ihn richten.
Sie atmet aus.
Maltes Hand fährt nach unten, er merkt, wie er sie berührt … wie ihre Schenkel an seinen Hüften entlanggleiten. Sie schließen sich um ihn und er fühlt, wie sie ihn von hinten zu sich nach vorn schiebt, in einer langen, scheinbar nie enden wollenden Bewegung in sich hinein -
„MALTE!“
Sein Bauch krampft zusammen.
„MALTE!“
Er reißt sich hoch.
Die Brüste … ihre Schenkel … die Bewegung -
„Verdammt nochmal, Malte! Komm jetzt, es ist Zeit!“
Halb aufgesetzt
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