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Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)

Titel: Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Beamte auf der Straße macht einem Polizeifahrzeug, das am Bordstein parkt, Zeichen, dass die Kollegen sich auf der Fahrbahn querstellen sollen.
    „Was hat Henning denn gesagt?“
    Bettys blaue Augen blicken sie an. Lisas kleine Schwester sieht für sie noch genauso aus wie vor zwei Jahren. Unwillkürlich muss Lisa daran denken, wie sie Betty kurz vor ihrer Trauung im Hinterraum der Kirche aufgesucht hat, wie sie miteinander geredet haben und Betty gestammelt hat, dass sie eigentlich lieber jemanden wie Felix heiraten würde.
    „Was hat Henning gesagt, Betty?“
    „Felix hat wohl etwas vor - etwas … für das er bereit ist … “ Sie bricht ab. „Ich weiß es auch nicht.“
    „Opfer zu bringen?“ Es entfährt Lisa, fast ohne dass sie das gewollt hätte. Hatte Felix nicht ihr gegenüber so etwas angedeutet, als sie von Wolfsburg zurück nach Berlin gekehrt sind?
    „Henning meinte, dass es vollkommen aus dem Ruder gelaufen wäre. Dass Felix viel zu weit gegangen ist … “
    Betty hat das Steuerrad mit beiden Händen umkrallt, hält ihr Gesicht dicht darüber. „Ich … ich habe Angst, Lisa - ich weiß nicht, was ich tun soll - “ Sie unterbricht sich, wendet den Kopf ihrer Schwester zu. „Erinnerst du dich, vor meiner Hochzeit? Ich … ich wollte ihn eigentlich nicht heiraten, Lisa - aber du hast mir zugeredet. Du hast gesagt, ich soll es machen.“
    „Ja … ja, aber … “
    „Ich dachte, ich könnte mich auf Henning verlassen, dass er dafür sorgen würde, dass nichts Schlimmes passiert - “
    Ein lautes Hupen schneidet durch Lisas Gedanken. Ihr Kopf dreht sich nach vorn. Das Auto vor ihnen ist angefahren, der Stau löst sich auf.
    „Fahr!“
    Hilflos klammert sich Betty noch immer ans Steuerrad.
    „Fahr Betty! Fahr, um Himmels willen. Felix hat gesagt, er würde sich am Nachmittag in seinem Haus im Süden Berlins aufhalten. Fahr dorthin! Wir müssen mit ihm reden. Henning ist tot - begreifst du denn nicht? Es ist keine Einbildung, nichts, was sich wieder verflüchtigt, wenn wir nur lange genug darauf warten. Es ist etwas im Gange - und Felix weiß davon!“


     
    Der Waldweg kommt Till bekannt vor.
    Er bleibt stehen und blickt sich um. Das Haus am See ist nicht mehr zu sehen. Vor gut zwanzig Minuten hat er es verlassen - aufgewühlt und verwirrt von dem, was Felix zu ihm gesagt hat. Er muss etwas Abstand gewinnen, allein sein, zur Ruhe kommen. Aber es scheint unmöglich zu sein. Etwas schwirrt in der Luft …
    Till setzt seinen Weg fort.
    Über ihm rauscht der Wind in den Bäumen. Ist er hier nicht als Junge schon einmal entlang gelaufen? Als er vorhin mit Felix zu dessen Haus gefahren ist, hat Till nicht weiter auf den Weg geachtet - aber sie sind nach Süden gefahren …
    Und plötzlich weiß er es.
    Unwillkürlich fallen seine Beine in einen Trab, er rennt, hetzt, stolpert über den Laubboden … sieht einen halbhohen Zaun zwischen den Bäumen glitzern, hastet an dem Zaun entlang zum Eingang …
    Viele Gräber befinden sich nicht innerhalb der Umzäunung, vielleicht vier oder fünf Dutzend. Aber eines von ihnen ist Till nur zu vertraut. Es ist das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen, dass er einen Friedhof aufsucht. Doch dies ist nicht der Friedhof, auf dem sie Max begraben haben. Dies ist der Friedhof, auf dem sein Bruder begraben liegt. Tills leiblicher Bruder - Armin.
    Er sieht den Grabstein in der letzten Reihe vor der Mauer, die die Rückseite des kleinen Friedhofs mitten im Wald bildet. Das Grab ist kaum noch gepflegt. Eine Zwergtanne hat sich darauf ausgebreitet, eine kleine, beschlagene Vase steht leer auf einem flachen Stein. Gras ist bis an den dunklen Grabstein gewuchert, die Halme schauen dahinter hervor und wiegen sich leicht in der aufkommenden Brise.
    ‚Armin Anschütz‘ steht auf dem Grabstein.
    Sechzehn Jahre alt ist er geworden.
    Till spürt nicht einmal, wie seine Knie auf die weiche Erde der Grabstelle aufschlagen. Wie lange ist er nicht hier gewesen. Zehn Jahre? Zwölf?
    „Armin.“ Die Anspannung der vergangenen Stunden bricht über ihm zusammen.


     
    Till weiß nicht, wie lange er in der feuchten Erde der Grabstelle gesessen hat, als sich seine Gedanken langsam zu klären beginnen. Wie blind haben seine Augen vor ihm auf den Boden geblickt, haben die Gräser, die Vase, den Stein wahrgenommen, aber nicht gesehen. Seine Ohren haben das Rauschen der Blätter in den Bäumen gehört, aber nicht verarbeitet. Er hat gefühlt, wie die Feuchtigkeit der Erde durch seine

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