Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
Max als Kinder schon gerätselt haben. Das ist, was Felix und Bentheim ausgeheckt haben. Sie wollten schon immer die Offenbarung erzwingen!
„Wir machen die Menschen süchtig Till, wir bieten ihnen ein fiktives Universum, von dem sie nicht mehr loskommen, in dem sie sich verlieren, in dem sie alles finden, wonach sie sich sehnen, wonach sie lechzen. Wir geben ihnen Liebe, Sex, Freundschaft, Horror, Angst, Hoffnung, Erfüllung, Sinn … wir lassen sie nicht mehr frei, wenn sie einmal begonnen haben, im fiktiven Universum zu versinken. Und DANN bringen wir sie dazu zu begreifen, dass sie gemeinsam zu einer Gottmaschine werden, wenn sie alle an einer bestimmten Stelle Gott erwarten . Wir schalten die Menschen gleich, Till, wir koordinieren ihre Gefühle, ihre Gedanken, Wünsche und Gelüste - und bringen sie so dazu, als Gottes Figuren ihn gemeinsam zur Offenbarung zu zwingen! Das fiktionale Universum ist die Gottmaschine. Und dabei tun wir Menschen zugleich nichts anderes, als den göttlichen Willen zu vollziehen, den er in seiner Schöpfung ja bereits gesetzt hat. Er WILL SICH OFFENBAREN - und ich, du, wir, führen seinen Willen aus!“
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Die ersten haben begonnen, den Glaszaun emporzuklettern, sie stützen sich auf die Schultern der anderen, ziehen sich an dem Zaun hoch. Aber das Glas ist glatt und an seiner Spitze ist eine Rolle Stacheldraht abgewickelt
Einige fallen wieder herunter, andere haben die Nasen an dem Glas plattgedrückt und starren zum Haus, das sich keine zweihundert Meter von ihnen entfernt auf der Lichtung erhebt und hinten dessen Fensterfront zwei Männer zu erkennen sind. Einer der beiden ist klein und drahtig, er steht vor einem Sofa und hat seinen durchdringenden Blick auf den anderen gerichtet. Der andere ist jünger und sieht zu dem ersten auf. Die beiden sind so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nichts von dem mitbekommen, was draußen geschieht.
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„So zeigt sich, dass ich nicht wirklich dem Schöpfer meinen Willen aufzwingen will, Till - es ist wichtig, dass du das begreifst. Es ist vielmehr so … dass ich … dass wir, wenn du mir hilfst … dass wir eher so etwas wie Auserwählte sind, die den Willen Gottes Wirklichkeit werden lassen, verstehst du?“
Felix tritt einen Schritt von dem Sofa zurück und lässt sich in einen der Sessel fallen. Er wirkt wie ausgehöhlt von dem, was er gesagt hat.
Ist es möglich? Das ist es, was in Tills Kopf rast: Ist es möglich, dass Felix recht hat? Dass die Gottmaschine funktioniert?
„Nie waren wir in der Geschichte der Menschheit der Offenbarung Gottes näher als heute, Till. Davon bin ich überzeugt. Es ist nicht, dass ich der Bösewicht wäre, der der Welt seinen ins Maßlose übersteigerten, kranken Willen aufzwingt. Ich bin nicht der Joker aus dem Batman-Universum, Till, ich will niemandem meinen Willen aufzwingen. Ich bin vielmehr … derjenige, der die Welt vor den krankhaften Einzelwillen der wirklich Bösen bewahren will. Ich will nicht meinen Willen - du wirst zugeben, dass ich das immer betont habe - ich will nicht meinen Willen, Till, ich will Gottes Willen! Und wer sich Gottes Willen widersetzt, widersetzt sich dem Sein, das sich vollzieht.“
Er sinkt in seinen Sessel zurück. „Du bist der Böse, Till, wenn du dich widersetzt. Wenn du mir nicht hilfst.“
Till fühlt sich ebenfalls vollkommen ausgepumpt. Er ist froh, dass Felix aufgehört hat, ihm seine Worte wie Pfeilspitzen an den Kopf zu schleudern.
Eine Zeitlang schweigen sie.
„Ich soll für dich schreiben, für das fiktive Universum“, greift Till ihren Gedankengang noch einmal auf. „Ich soll dafür schreiben, dass die Menschen immer süchtiger nach diesem Universum werden, immer abhängiger davon, immer versessener darauf, erneut davon zu trinken, erneut darin zu versinken … “
„Deshalb habe ich dir die Ratten auf den Pelz geschickt, Till. Ich weiß, dass du ein guter Autor bist, ich habe mich um dich gekümmert, um aus dir den besten zu machen.“
„Warum ich, Felix?“ Bin ich wirklich der Richtige, um an dieser gigantischen Aufgabe zu wirken? „Warum hast du dich ausgerechnet um mich gekümmert?“
„Ich brauche den Besten, Till. Und ich weiß, dass du gut bist.“
„Aber WOHER, Felix - woher weißt du das?“
Felix‘ Blick ruht auf ihm.
BERLIN GOTHIC 7
Fünfter Teil
1
Heute
Claire schreckt zusammen. Der Gedanke an Butz hat sie durchdrungen wie eine Nadel.
Wer ist das? Der Mann, in dessen Armen sie
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