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Berlin Wolfsburg (German Edition)

Berlin Wolfsburg (German Edition)

Titel: Berlin Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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Allerdings.
    »Sie stammen doch aus Niedersachsen, nicht wahr?« Grimichs grün
     schimmernder Blick schweifte ab und erfasste Johanna.
    »Richtig. Ich bin in Braunschweig geboren und habe ab meinem zehnten
     Lebensjahr bis zum Abitur in Wolfsburg gelebt.«
    »Interessant.« Grimich entblößte für einen Moment zwei blitzweiße
     Zahnreihen, was wohl eine Art Lächeln darstellen sollte. »Na, wie dem auch sei.
     Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat mich kontaktiert. Es geht um einen
     Fall, der unter Umständen neu aufgerollt werden muss, und wie so oft haben sie
     weder vor Ort noch beim LKA Niedersachsen genügend freie Kapazitäten, um noch mal einen unvoreingenommenen
     Blick auf die Sache zu werfen. Das übliche Problem.«
    »Und um was genau geht es?«
    Grimich drehte den Bürosessel um hundertachtzig Grad und griff sich
     von einem hochgetürmten Stapel den obersten Hefter. »Hier ist die Akte. Sie
     können sich gleich auf den Weg machen. Um ein Zimmer für Sie werden die
     Wolfsburger sich kümmern, oder wollen Sie lieber bei Ihrer Familie
     unterschlüpfen?«
    Johanna stand auf. »Das kläre ich am besten vor Ort.«
    »Tun Sie das. Und vergessen Sie nicht, Krass – ich will regelmäßig
     über den Stand der Dinge informiert werden.«
    »Wie könnte ich das vergessen?«
    Magdalena Grimich schien einen Moment zu überlegen, ob es angemessen
     war, auf Johannas Bemerkung einzugehen, oder ob es souveräner wirkte, darüber
     hinwegzusehen. Sie entschied sich für Letzteres. Erstaunlicherweise. Johanna
     nickte ihr zu und verließ den Raum. Wenige Minuten später saß sie zwei
     Stockwerke tiefer mit einer großen Tasse pechschwarzem Kaffee und einer Packung
     Schokoladenkekse an ihrem Schreibtisch und schlug die Akte auf.
    Ihr Hang zu Süßigkeiten, mit denen sie ihre frühere Zigarettensucht
     kompensierte, war gerade im Dienst ungebrochen – obwohl sie schon seit Jahren
     nicht mehr rauchte. Glücklicherweise war sie kein Typ, der schnell zunahm, und
     selbst wenn: Johanna gehörte nicht zu den Frauen, die mit achtundvierzig Jahren
     entsetzt feststellten, dass die Hosengröße nicht mehr passte, die viele Jahre
     lang perfekt gesessen hatte. An ihr saß ohnehin nichts perfekt und wenn doch,
     würde sie es kaum bemerken, geschweige denn für wichtig erachten. Johanna
     bevorzugte Jeans oder Outdoorhosen und Shirts, kombiniert mit Lederjacke oder
     Weste, Cap und Trekkingschuhen, und ihre Stimme klang stets, als hätte sie zu
     lange in der Kneipe gesessen und dabei nicht nur Hagebuttentee getrunken. Ihr
     kantiges Gesicht wurde von übergroßen blauen Augen beherrscht, und jeder
     Versuch, es mit Make-up weicher und milder erscheinen zu lassen, war bislang
     gescheitert. Jedenfalls nach Johannas Ansicht. Sie verabscheute Hand- oder
     Aktentaschen und schleppte ihre Utensilien stets in einem abgewetzten
     Lederrucksack durch die Gegend. Wenn es kalt war, schlüpfte sie in
     Fleecepullover und dicke Anoraks und zog unter ihrem Cap zusätzlich ein
     Stirnband über die Ohren, was alles andere als apart aussah. Höchstens ziemlich
     krass. Aber ihr Name war ohnehin Programm, und mit Ende vierzig hatte sie so
     viel Weisheit errungen – zum Teil mühsam errungen –, dass sie sogar stolz auf
     ihn war. Die wenigen Verehrer, die sich um sie bemühten, waren in ihren Augen
     entweder lächerliche Versager, die Schutz bei ihr suchten, oder hatten nicht
     genügend Ausdauer, um sich mit ihrer Kratzbürstigkeit zu messen und ihrer
     bewusst gewählten Unweiblichkeit einen gewissen Charme abzugewinnen. Die
     meisten Frauen hatten entweder Angst vor ihr oder verachteten sie. Einige
     wenige waren neugierig, was sich hinter ihrer schroffen Art verbarg. Grimich
     gehörte definitiv nicht dazu.
    Johanna griff sich immer zwei Kekse auf einmal aus der Packung. Sie
     kaute gleichmäßig, verstreute Krümel über den Tisch und spülte geräuschvoll mit
     Kaffee nach, während sie sich in den Fall vertiefte. Nach fünf Minuten begann
     sie langsamer zu kauen und hörte schließlich ganz auf. Fälle, bei denen es um
     Kinder oder Jugendliche ging, waren die schlimmsten.
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