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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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willst«, fährt die Stimme fort, »das hat keinen Sinn und keinen Verstand. Das macht nur den falschen Leuten Stress.«
    Wieder spürt Harlass das Gewicht der Waffe in seiner Hand. Und plötzlich hat er eine Idee.
    »Und wer wären dann die richtigen Leute?«
    Eine ganze Weile sagt niemand etwas. Und Harlass fragt sich, ob er nicht doch besser still geblieben wäre. Dann aber merkt er, dass sich der Kerl aus dem Fond zum Fahrer vorbeugt.
    »Zeig ihm das Foto!«
    D ie Sängerin mit der Frisur einer Pariser Kollaborateurin aus dem Sommer 1944 hat eine helle freche amerikanische Stimme, und dazu hat sie oder die Pianistin oder alle beide zusammen einen Dreh gefunden, damit die freche Stimme zu Roy Heads »She Is An Angel With A Broken Wing« eigentümlich passt, jedenfalls kommt es Karen so vor. Ein paar Zuhörer an der Bar winken dazu mit angeknipsten Feuerzeugen und klatschen und wollen eine Zugabe, aber jetzt ist erst einmal Pause.
    »Hmm«, macht Stukkart, »von Nashville direktemang nach Lesbos … Für mich ist das – sagen wir mal – ein wenig gewöhnungsbedürftig.«
    »Mir hat es gefallen«, antwortet Karen. »Außerdem ging das gerade eben nicht direkt von Nashville nach Lesbos, sondern via Berlin.« Sie lächelt ein kleines boshaftes Lächeln. »Das passt doch. Manchmal sind die Männer die schöneren Frauen und die Frauen die stärkeren Männer.«
    »Wenn Sie es sagen … Sie müssen verstehen – ich bin da vorbelastet, als junger Mann hab ich leidenschaftlich gern American Forces Network gehört, da kamen solche Sachen, und das ist mir bis heute geblieben …«
    »Und Sie meinen, mit dem Frauenbild von AFN lässt sich das hier« – Karen deutet mit dem Sektglas auf das jetzt verlassene Konzertpodium – »schlecht vereinbaren? Glauben Sie nicht, die kahle Sängerin und ihre Pianistin kämen bei der Truppenbetreuung in Afghanistan ganz hervorragend zurecht?«
    »Gewiss, muss aber nichts über ihre Interpretation aussagen«, gibt Stukkart zurück. »Was mich stört, das ist – lachen Sie bitte nicht! – die Abwesenheit einer gewissen … einer gegen den Strich gebürsteten … nun ja: die notgedrungene Abwesenheit von Ritterlichkeit.«
    Karen hält den Kopf ein wenig schief, als müsse sie die Lage aus einer neuen Perspektive betrachten. »Sagten Sie Ritterlichkeit? Da passt aber gerade dieses Lied nicht so rasend toll.«
    »Und warum nicht?«
    »Wenn eine Frau ein Problem mit der Schulter hat«, erklärt Karen, »will sie nicht angesungen werden, sondern braucht einen guten Heilpraktiker.«
    »Komisch«, meint Stukkart. »Von einer Schulter hab ich nichts gehört. Und auch sonst … Irgendwie kam mir das Lied vor wie eine Liebeserklärung.«
    »Natürlich haben Sie Recht«, räumt Karen ein. »Es ist eine Liebeserklärung. Aber so wie das hier gesungen wurde, von einer Frau für eine andere, da hat das eine gewisse kühle Klarheit. Das Tränentierhafte ist weg. Die Sängerin weiß, was Sache ist. Auch sie liebt, aber sie liebt ohne Illusionen.«
    Stukkart beugt den Kopf vor und blickt fragend. »Liebe ohne Illusionen, ja? Geht das?« Die Frage bleibt unbeantwortet. »Ich verstehe, Sie gehören einer sehr nüchternen Generation an. Einer, die weder Bilder noch Utopien akzeptiert …«
    Karen lacht. »Sie sprechen von unserer – oder vielmehr: von meiner Nüchternheit? Meinen Sie das im Ernst?«
    »In vollem Ernst.« Stukkart hat sein Sektglas wieder auf den Tisch gestellt und ist auf fast unmerkliche Weise ein Stück näher an Karen gerückt. »Alte Männer sollten nicht von der Liebe reden, als ob sie daran Anteil haben könnten. Aber wir können wahrnehmen, wenn sich etwas verändert hat. Zum Beispiel, dass die Spielregeln der Liebe andere geworden sind.«
    Er wartet, bis Karen ihm schließlich den Gefallen tut und nachfragt, wie er das denn meine.
    »Die Liebe ist Verhandlungssache geworden«, kommt die Antwort. »Sie ist ein Kontrakt, wie jedes Börsengeschäft … Es wird vereinbart, wer zu welchen Bedingungen was tun darf oder zuzulassen hat. Kein Mysterium mehr, kein Engel, nirgends, kein Begehren, das einen um den Verstand bringt … Sie scheinen nicht einverstanden?«
    »Wenn es so wäre, dass die Menschen nur noch von Sex und Geld umgetrieben wären und von sonst nichts – dann hätten Sie wohl Recht, und das eine wäre wie das andere«, antwortet Karen und stellt entschlossen das Sektglas ab, das sie eher spielerisch in der Hand geahlten hatte. »Aber ich glaube nicht daran. Es gibt noch

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