Berndorf, Jacques (Hrsg)
und hätte mich welpengleich abgesabbert, und ich wäre womöglich schwach geworden. Ich machte mir eine mentale Notiz, auf jeden Fall meinen Keuschheitsgürtel einzupacken. Dann meldete ich mich mit einer kurzen Erklärung der Sachlage bei meiner Mutter ab, setzte mich in meinen schrottreifen Polo und knatterte in die Eifel.
Genauer gesagt, nach Kronenburg.
Die Herren von Kronenburg brachten sich und ihre Burg erstmals im Jahr 1277 ins Bewusstsein der Geschichtsschreibung. Dumm nur, dass das Geschlecht der Kronenburger schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der männlichen Linie ausstarb. Ich habe ein Faible für Blaublüter. Christian, der Anlass meiner Reise, war allerdings weder adlig noch besaß er Noblesse. Er war Maler und hatte sich ein paar Monate nach unserer Trennung hier ein Atelier mit Wohnung gemietet, weil er sich bei einem Wochenendausflug spontan in den Ort verliebt hatte. Als ich an diesem Freitagnachmittag eintraf, verstand ich ihn gut. Hoch oben über dem idyllischen Oberen Kylltal scharten sich historische Gebäude um die alte Burgruine. Im Licht der untergehenden Sonne schien der Ort fast magisch zu strahlen. Ich staunte über die Zeitlosigkeit, die Kronenburg zu umgeben schien, holte tief Luft und atmete prompt pure Geschichte ein. Als ich mich in Zimmer 10 im Hotel Kronenburg auf das Bett mit dem weißen Baldachin warf, fühlte ich mich wie eine Prinzessin. Glücklicherweise ohne Erbse.
Doch als ich eine Stunde später an Christians Tür klopfte und ich im allerletzten Licht des Tages eine Rothaarige zur Hintertür in den Garten hinaushuschen sah, fühlte ich mich sofort wieder in die harsche Realität einer abservierten Ex-Frau zurückversetzt.
»Störe ich?«, klirrte ich folglich eisig, als Christian die Tür öffnete. Nur die Tatsache, dass wir uns seit dem Sandkasten kannten, hielt mich davon ab, ihn einfach stehen zu lassen. Oder meine Coccinelle-Handtasche in ein tödliches Geschoss zu verwandeln und seine Schläfenpartie zu zerschmettern.
»Aber nein, ich bin froh, dass du da bist.« Er klang aufrichtig erleichtert. Zitternd nahm er mich in die Arme, und wenn er keine zerstrubbelten Haare gehabt und nicht nach Chanel Nr. 5 gerochen hätte, hätte ich Mitleid mit ihm empfunden.
Christian führte mich durch das nach Farbe riechende Atelier in seinen Wohnbereich, am zerwühlten Bett vorbei zur Küchenzeile. »Wein, ja? Auf dem Gartentisch liegen die Briefe.«
Ich ging hinaus. Von der Rothaarigen war nichts mehr zu sehen, sie musste über das Mäuerchen geklettert sein, das den Garten umgab. Ich nahm die Briefe zur Hand. Billiges Papier. Und ich will ja nicht pingelig erscheinen, aber es handelte sich nicht um Erpresser-, sondern um Drohbriefe.
Nur noch fünf Tage, dann ist es soweit. Niemand entgeht seinem Schicksal. Regele deine Angelegenheiten, und schließe mit allem ab
.
Es waren insgesamt fünf Briefe, die einen Countdown einläuteten. Die ausgeschnittenen Buchstaben auf dem letzten Brief warnten:
Nur noch ein Tag. Bist du bereit?
»Und was genau soll ich jetzt tun?«, fragte ich, weil ich hier absolut nichts ausrichten konnte, was ich von vornherein gewusst hatte, aber keine Versuchung ist doch größer als die, einen Ex zu besuchen und sich vor Ort vergewissern zu können, dass es ihm schlecht geht. Richtig schlecht.
Hoppla, die Gäule gingen mit mir durch. Ich riss mich zusammen und inspizierte neuerlich die Briefe in meiner Hand. Aufgrund des Hochglanzpapiers vermutete ich, dass die Buchstaben aus der Vogue stammen könnten, aber das half uns nicht weiter. Und um Fingerabdrücke abzunehmen, war ich nicht ausgerüstet. Das Einzige, was ich anzubieten hatte, war, ihm die Hand zu halten. Was ich aber nicht tat, weil seine osmotisch in meine Blutbahn eindringenden Pheromone dann sofort die Vernunftecke meines Gehirns lahmgelegt hätten.
»Du bist eine Frau. Frauen haben doch ein Gespür für so was.«
»Mein Gespür sagt mir, dass irgendein abgelegtes Blondchen aus deinem Harem zu Schere und Kleber gegriffen hat, um dir aus Rache Angst einzujagen.«
Christian setzte sich zu mir an den Gartentisch und goss billigen Rotwein in zwei Pappbecher. Karaffe und Kristallgläser gab es immer nur während seiner Verführungsoffensiven. Frauen, die er schon gehabt hatte, also ich, mussten sich – was die Atmosphäre anging – mit dem Zirpen der Zikaden und der ausgehungerten Sichel eines abnehmenden Mondes begnügen. Ich seufzte und nahm einen großen Schluck Wein.
Mein Ex
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