Berndorf, Jacques (Hrsg)
Untergetaucht war er angeblich – im Ausland.
Eine große, gelbe Hand zog mir die Zeitung aus der Hand. Die Fingernägel der Hand waren mit Erde verschmutzt. Mein Puls beschleunigte schneller als die Yamaha V-Max meines Ex-Freundes aus Euskirchen. Langsam blickte ich nach oben. Vor mir stand – mit einem Koffer in der Hand – Sudoku-Man.
Und dann begann Sudoku-Man wahrscheinlich mit dem längsten Monolog seines Lebens: »Ich sollte mich in der Eifel ruhig verhalten – was kann man hier auch anderes machen. Wir vernichteten alles, was jeweils auf den anderen hindeuten konnte. Karl nahm die Kohle mit. Er wollte ein wenig verschwinden und ein paar von den sicherlich registrierten Scheinen auf der Welt verteilen. Vereinbarter Treffpunkt war zwischen 8 und 9 Uhr in diesem Café. Wenn die Luft rein ist, sollte ich Sudoku spielen.« Sudoku-Man sah mir tief in die Augen. Er trug heute keine Sonnenbrille. Seine Augen schienen nur aus Pupillen zu bestehen, die mir einen Einblick in das schwarze Innere seines Kopfes gewährten. »Nur das verdammte Datum für unser Treffen haben wir vergessen auszumachen ... Ich wusste nicht, wo Karl steckt, Karl wusste nicht, wo ich stecke, und wir vergessen das verdammte Datum auszumachen. Verdammte Hurenscheiße, verdammt, verdammt.«
Die Bildzeitung lag in kleinen Schnipseln verteilt auf dem Boden. Ich glaube, Sudoku-Man bemerkte gar nicht, wie er sie während seiner Ausführungen zeriss.
»Karl meinte, er habe das Geld verloren. Haha, dass ich nicht lache. Einen Rucksack mit 700.000 Euro verloren! Wahrscheinlich in der Bahn liegen gelassen, bevor wir uns gestern hier trafen, behauptete er. So eine selten beschissene Lüge habe ich seit der Mondlandung nicht mehr gehört.« Dann packte mich Sudoku-Man am Hals, schlug mich hin und her, als wollte er das Geld aus mir herausschütteln, und brüllte los: »Ein Jahr warte ich hier auf ihn. Verstehst du, ein verdammtes Jahr. Ich hasse es früh aufzustehen. Ich hasse es zu warten und ich hasse Sudokus. Aber am meisten hasse ich es, verarscht zu werden.«
Ich war mir sicher, dass Sudoku-Man nun eine Pistole ziehen würde, um mir, der einzigen Zeugin, ein schönes Loch in den Schädel zu treiben. Oft genug hatte ich dies im Fernsehen gesehen. Aber es kam anders. Sudoku-Man ließ mich los und drehte sich langsam um. Wie John Wayne, der dem Horizont entgegenreitet, verließ er das Café und ging in Richtung Bahnhof.
Ich stand wie angewurzelt an der Theke. Etwas in mir schrie: »Los, renn ihm hinterher. Bitte ihn, dass er dich mitnimmt.« Mir war klar, dass er nicht wiederkommen würde. Er musste jetzt erst mal untertauchen, irgendwo, in einem Ort wie Meckenheim, einem Ort, in dem es keine Menschen gibt.
Endlich konnte ich die Lippen wieder bewegen. »Lass mich hier nicht alleine«, flüsterte ich in das leere Café. Mit immer noch zitternden Händen zog ich den Rucksack unter der Theke hervor, den gestern jemand unterm Tisch vergessen hatte. Er war sehr schwer und roch nach … New York.
Schnüffler in Stöckelschuhen
von T ATJANA K RUSE
Er sprang auf alles, was ihn nicht abwarf. Sein Penis kannte keinen Pausenknopf. Und er wurde so gut wie nie abgeworfen, weil er nämlich schnuffig war. Sehr schnuffig. Aber er hatte den IQ eines Schokoriegels.
»Bitte, du musst mir helfen!«
»Hör mal, Erpressung ist ein Fall für die Polizei.«
Heulte er etwa? »Ich kann unmöglich zur Polizei. Weil ...«
»Weil was?«
Ja, er heulte. Ich bekam tatsächlich Mitleid. Nach allem, was er mir angetan hatte.
Männer sind wie Schuhe, manche passen besser als andere, und manche sehen fantastisch aus, und man will sie unbedingt tragen, aber sie bringen einem nichts ein außer schmerzhaften Hühneraugen. Er war das Hühneraugenmodell.
Ich seufzte. Deswegen soll man keinen Kontakt zu Exen pflegen. Man wird nämlich nie ganz frei von Restgefühlen.
»Weil du eine Leiche im Keller hast?«, spekulierte ich ins Blaue hinein.
Er schniefte. »Jaaa. Ich darf jetzt nicht in die Mühlen der Bürokratie geraten. Nicht jetzt. Nicht so kurz vor meiner Einzelausstellung in Köln. Köln!«
Wie ich meinen Ex kannte, hatte er mal wieder in postorgasmischer Glückseligkeit einer Frau die Ehe versprochen, ohne es ernst zu meinen. War das heutzutage noch eine Straftat? Ich holte tief Luft. »Also gut, ich komme vorbei und schau mir die Briefe an. Aber mehr nicht!«
»Oh danke, danke, danke.«
Wie gut, dass wir nur telefonierten, sonst wäre er mir um den Hals gefallen
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