Berndorf, Jacques (Hrsg)
gescheitert bist. Pech. Wenn du weiter Zicken machst, werde ich dich ruhigstellen müssen. Also ...
Schon beeindruckend, wie detailgetreu hier gearbeitet worden ist. Sieh’ mal hier ... Ach ja. Ich vergaß. Bis hierher kannst du ja von deinem Platz aus gar nicht sehen. Ich beschreibe es dir: Hier, zwischen Iversheim und Bad Münstereifel, die Firma Hettner. Maschinenbau. Haben im Osten bis nach Russland und im Westen sogar nach Übersee geliefert. Bis ins kleinste Detail getroffen. Gleisanschluss, Verladung von Maschinen, alles wunderbar dargestellt. Oder hier. Bahnhofsgebäude Bad Münstereifel.
Michael Melder
, den Laden gibt es heute noch irgendwo innerhalb der Stadtmauern. Immer noch auf frisches Obst und so spezialisiert.
Kann dich nicht vom Hocker hauen, was? – Kleiner Scherz.
Ich komme jetzt zum Wesentlichen. Die Anlage hat – wie Günter mir erzählte – mehrere Stromkreise. Sie lassen nicht nur den Zug fahren, sondern sie lösen auch kleine Spielereien aus. Busse, die über die Landstraßen schleichen. Bauern, die Hand-oder Schubkarren ziehen beziehungsweise schieben. Oder hier: Archäologen bei einem Brennversuch in der Römischen Kalkbrennerei. Passt zwar nicht ganz in die Zeit, aber was soll’s. Günter hatte eine Vorliebe für solche kleinen Feinheiten.
Kommen wir jetzt zum Spannendsten. Auf der Anlage sind verschiedene Uhren. Eine davon ist so programmiert, dass sie anläuft, um dann bei einer bestimmten Zahlenkombination stehen zu bleiben. Dem Zahlencode fürs Schließfach.
Ich wiederhole mich ungern: Hör auf rumzuhampeln.
So, mal schau’n. Ich schließe den ersten Stromkreis. Voilà. Ah, der Zug fährt an. Verlässt den Bad Münstereifeler Bahnhof. Aber die Uhr rührt sich nicht. Na, egal. Sie hat Zeiger, kann also nicht die richtige sein. Ich betätige also den nächsten Schalter. Ah, die Bahnhofsuhr in Münstereifel beginnt zu ticken. 10 Uhr. Schon komisch. Da behaupten die Kenner der Szene immer, für Münstereifel sei es mittlerweile fünf nach zwölf. Haha. Sieh an, die Digitaluhr am Gebäude der Volksbank hat sich auch in Gang gesetzt. Wechselt ruhig von Zeitanzeige zu Temperaturanzeige und wieder zurück. Hm.
Der Zug hat Iversheim hinter sich gelassen und hält nun in Arloff. Jetzt geht es weiter Richtung Kreuzweingarten und Stotzheim. Ich hätte ja vermutet, die Anzeige der Volksbank würde die gewünschte Nummer liefern. Hätte gepasst. Bank und Schließfach, meine ich.
He, es langt. Du wirst mir doch den großen Moment nicht mit deinen Mätzchen verderben wollen. So, das war’s jetzt für dich. Ich kippe dich mit dem Stuhl auf den Rücken.
Wo war ich stehen geblieben? Ah, ja. Unser Zug hat den Bahnhof Euskirchen erreicht. Reisende nach Köln und Trier haben Anschluss auf den Gleisen 2 und 1, Reisende nach Bonn können zur Weiterfahrt im Zug sitzen bleiben. Praktisch, he, he. Die Uhren im Bahnhof Euskirchen stehen noch.
Das kannst du aus deiner jetzigen Perspektive nicht mehr sehen. Selbst schuld.
Wie bringen wir denn jetzt diese Uhren in Gang? Mal sehen, was passiert, wenn ich diesen Schalter betätige. Ah, so ist brav.«
Die Uhren auf den Gleisen 1 bis 5 setzten sich in Gang. Als sie auf 10.29 Uhr sprangen, setzten sich auf den Gleisen 1, 2 und 3 die Züge nach Trier, Köln und Bonn in Bewegung.
Auch die Uhr am Bahnhofsgebäude hatte zu laufen begonnen. Nicht nur die gelben Zahlen, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der sie durchliefen, irritierten ihn. Sie wollten einfach nicht stehen bleiben. Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, wenn er die Verzweiflung in den Augen der Gefesselten erkannt hätte, ehe er die einzelnen Stromkreise schloss und die Höllenmaschine in Betrieb setzte. Als er begriff, was die Frau während ihrer Ehe mit dem Sprengmeister gelernt hatte, raste die Digitalanzeige von 0004 auf 0003, 0002. Seine Lippen formten stumm das Wort »Scheiße«.
Ungelöst
oder:
Fünf Frauen, ein Hund
und ein allwissender Erzähler
von A NKE L AUFER
Corinna Grimm wird zweimal getötet und viermal begraben werden. Die Sache wird folgendermaßen vor sich gehen:
Beim ersten Mal wird Ernst Breithaupt (47) aus Schalkenmehren am 14. Februar 2010 beim Umschichten des Komposthaufens auf dem idyllisch gelegenen Friedhof am Vulkansee Weinfelder Maar, auch Totenmaar genannt, auf eine stark verweste Frauenleiche stoßen. Zwei Tage später wird Gertrud Grimm (35) ihre Schwester Corinna zweifelsfrei anhand ihres blauen Mantels identifizieren, obwohl sie diesen noch nie
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