Berndorf, Jacques (Hrsg)
und zugänglich bekannt war. Ab und zu, wenn er jemanden sehr mochte, gab er auch den ein oder anderen Raummeter weiter, doch bei Licht besehen bastelte er sich seinen ganz persönlichen Freizeitpark mit Labyrinth und kleinen Laubengängen aus gestapeltem Brennholz.
Auch jetzt stapelte er. Natürlich keine Buche, so doof war Menges nicht, Wennerscheid hätte nie angenommen, dass er ihn quasi auf frischer Tat mit der noch frischen Buchenleiche erwischen würde, nein, er hatte eine Fichte in ordentlich gesägten, kaminbreiten Abschnitten vor sich, von denen er mit der Axt einzelne Scheite abschlug. Er sah nur kurz hoch. Sonderlich erstaunt schien er nicht über Wennerscheids Besuch.
»Was willst du?«, fragte er und trennte weiter Stück für Stück von der Baumscheibe. Neben dem bulligen Wennerscheid sah er aus wie ein Hänfling, auch wenn er diesen Eindruck mit übergroßen, karierten Hemden zu kaschieren versuchte.
»Du hast mir meine Bäume geklaut!«
»Du spinnst ja!« Hack, hack, hack. »Ich hab’ selber genug Bäume, dein Kraut brauch ich nicht!« Hack, hack, hack. Die Axt blinkte in der grellen Mittagssonne. Ihr Schliff war perfekt, das konnte man sehen. Sie fuhr durch das Holz, als wäre es gar nicht da, ein Genuss, den auszukosten Wennerscheid aber keine Muße hatte.
»Ich bin das jetzt leid! Ich weiß nicht, wie oft du mir schon Bäume aus dem Wald geklaut hast! Aber das war zu viel! Sechs Stück! Du bist ja wohl wahnsinnig geworden!«
Hermann-Josef Menges stützte die Axt auf den Boden und sah Wennerscheid an. »Wie kommst du denn da drauf, dass ich das war?«
»Wer sonst außer dir sollte es tun? Du bist der Einzige, der kaltschnäuzig genug dafür ist!«
Menges sah ihn ruhig an. »Du kannst mir gar nichts. Deine blöden Bäume interessieren mich nicht. Geh doch und zeig mich an!«
Wennerscheid nickte langsam. »Genau das werde ich jetzt tun, pass mal auf!« Er sah ihn bedeutsam an. Ihre Augen trafen sich und hielten sich fest. Menges hob die Axt, verharrte einen Moment, immer noch mit dem Blick in Wennerscheids Gesicht und begann dann wieder sein monotones Werk. Hack, hack, hack.
Es war nicht ganz einfach gewesen, den Ortspolizisten von einer Tatortbegehung zu überzeugen. Den Diebstahl von sechs Bäumen fand er schon interessant, ja, aber dass Menges der Täter gewesen sein sollte …
»Du und der Hermann-Josef«, hatte er gesagt, »ihr kennt euch doch seit eurer Kindheit! Meinst du ehrlich, der geht bei dir in den Wald und haut die Bäume ab?«
»Ja«, hatte Wennerscheid geantwortet.
»Ich kenn den doch auch, das ist doch Quatsch, wie soll der das denn machen?«
»Baum ab, Laub ab, auf ’n Sattelschlepper, und ab das Ding! Da sind doch überall die Spuren vom Menges sein Harvester!«
»Hast du denn sonst einen Beweis?«
»Nee, aber meine Bäume sin’ wech!«
Und Martin Hooven, der Polizist, hatte nur traurig auf die Tischplatte gesehen.
Doch jetzt standen sie im Wald, und Hooven betrachtete die Reifenspuren, während Tobias Wennerscheid mit Tränen in den Augen die abgesägten Äste anhob.
»Mensch, das kann doch jeder gewesen sein! Und weißt du, wie viele Harvester es hier in der Gegend gibt? Das ist für die Leute doch hier wie für andere ein Hochdruckreiniger!«
Wennerscheid antwortete nicht. Er war gewohnt, dass man ihm nicht glaubte, trotzdem wusste er, was er wusste. Er schob traurig einen Ast beiseite. Das Gestrüpp musste er jetzt auch noch beseitigen, bevor der Borkenkäfer reinging. Auf einmal stutzte er. Er bückte sich und hob etwas hoch.
»Und was ist das? Das erkenne ich unter tausend Brieftaschen, das ist das Portemonnaie vom Menges, das hat er hier verloren, als er mir die Bäume geklaut hat, das ist der Beweis!«
Hooven stolperte vorsichtig über die kreuz und quer liegenden Zweige zu ihm hin und nahm das Fundstück.
»Das beweist gar nichts! Er kann hier gewesen sein, um einfach spazieren zu gehen. Du sagst doch selber, dass der hier dauernd im Wald ist! Oder er wollte sich den Schaden einmal ansehen. Oder …«, er blickte Tobias Wennerscheid ins Gesicht, »du hast sie ihm geklaut und hierher gelegt!«
Wennerscheid schnaufte empört. »Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Das habe ich überhaupt nicht nötig! Ich betrüge hier keinen, das wissen hier alle! Und du steckst wahrscheinlich mit ihm unter einer Decke!«
»Vorsicht! Pass auf, was du sagst, es kann sein, dass du dir richtigen Ärger einhandelst! Nicht nur, dass du hier rumrennst und wilde
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