Berndorf, Jacques (Hrsg)
erklären müssen.«
Carmen ließ ihren schweren Leib wieder neben ihn auf das Bett fallen, das daraufhin wie ein Wasserbett zu schwanken begann. Eine Dunstwolke aus käsigem Schweiß und fadem Kohlgeruch legte sich wie eine stinkende Decke über Joey.
»Ich lebe hier allein und bin ein bisschen einsam. Du willst Geld. Das habe ich, reichlich. Wenn du was zu essen brauchst, habe ich auch. Alles, was du dir wünschst. Und dafür gibst du mir das Einzige, das ich nicht habe: ein bisschen Gesellschaft.«
Joey starrte aus weit aufgerissenen Augen zu ihr hinauf. Ein Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Gleichzeitig begann er zu zittern.
Carmen schwenkte eine ihrer großen Patschen zur Seite und hatte Sekunden später einen großen Teller mit Schinken und Käse vor sich auf der Bettdecke stehen. Mit zwei Fingern, dick wie Mettwürste, ergriff sie einen Käsewürfel und hielt ihn Joey vor den Mund. »Mein verstorbener Mann, Peter«, sagte sie mit zärtlichem Unterton, dann unterbrach sie sich und wandte sich ab.
Joey beobachtete, wie sie einen Bilderrahmen vom Nachttisch nahm und sanft in die Schublade gleiten ließ.
»Mein verstorbener Mann«, begann sie von Neuem, jetzt wieder Joey zugewandt, »war ein Fütterer. Als wir uns kennen lernten, wog ich 58 Kilo. Jetzt sind es, na ja, ich schätze, 250, und es werden täglich mehr. Weißt du, er liebte es, mich zu füttern. Er tat den lieben langen Tag nichts anderes. Und genau das werde ich auch mit dir tun.« Mit etwas Druck zwängte sie den Käsewürfel zwischen Joeys kalkweiße Lippen.
Langsam begann er zu kauen.
Lächelnd schwenkte sie ihren Körper herum, legte sich neben ihn und flüsterte in sein Ohr: »Glückliche Zeiten brechen an.«
Vom Hindukusch nach Hellenthal
von T HEO P OINTNER
1.
Der Feldwebel zog den Stahlhelm tiefer in die Stirn und wagte einen Blick über den Rand des Schützengrabens. Die Übermacht, gegen die er und seine Truppe standen, war schier überwältigend. Trotzdem huschte ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht. Er liebte solche hoffnungslosen Situationen.
Es war nicht die erste Schlacht, in der er sich bewähren musste, ausnahmslos alle hatte er bisher gewonnen. Sein Gegner verfügte zwar über die größere Menge an Soldaten und Material (sonst hätte der sich auch kaum auf diesen Krieg eingelassen), aber vom taktischen Geschick her war er seinem Kontrahenten haushoch überlegen. Was so ein bisschen mehr an Lebenserfahrung doch ausmachen konnte ...
Nach kurzem Überlegen gab er seiner kleinen Panzertruppe den Befehl, hinter der flachen Düne in Stellung zu gehen. Er erwartete einen Frontalangriff auf seine Stellungen, da war es sicherlich nicht verkehrt, den Feind von der rechten Seite mit den rollenden Kampfungetümen unter Beschuss nehmen zu können. Über seine linke Seite machte er sich überhaupt keine Sorgen; seine Artillerie, bestehend aus zwei gewaltigen Geschützen, lag sicher eingegraben auf der kleinen Bergkuppe verborgen.
Er machte sich auch keine Sorgen über die Tatsache, dass er und seine Truppen das erste Mal in einen Geländekrieg verwickelt wurden – die bisherigen Scharmützel waren Städtekämpfe gewesen, wo überall Deckung und Schutz zu finden waren. Aber der Reiz, den diese Umgebung bot, pumpte laufend Adrenalin in seinen Körper, eine derartige Umgebung bot ungeahnte Möglichkeiten, den Verlauf der Schlacht interessanter zu gestalten. Nur eine kleine Vorhut hatte sich im Sand vergraben, der Hauptteil der Infanterie versteckte sich hinter den hohen Felsen, um dem Angriff begegnen zu können.
Einer seiner Aufklärer hetzte in seinen Befehlsstand und berichtete von einer unerwarteten Truppenverlagerung des Feindes. Der Feldwebel runzelte die Stirn. Hatte der Gegner etwa aus seinen früheren Niederlagen gelernt? Vielleicht wäre es doch besser, die Panzer ein wenig mehr zu dezentralisieren ...
2.
Diese Ruhe war einfach himmlisch.
Genüsslich nahm er einen langen Schluck aus der Wasserflasche, die er aus der Kühltasche geangelt hatte, und rülpste, als die Kohlensäure übermächtig wurde. Hier konnte man es aushalten, strahlend blauer Himmel, klare, saubere Luft, Vogelgezwitscher, in der Nähe eine Talsperre mit klarem, kühlem Wasser – ja, das Leben konnte auch friedliche Seiten haben.
»Mist«, hörte er von der benachbarten Liege einen undeutlichen Fluch. »Das passt nicht.«
»Was passt denn nicht?«, murmelte er desinteressiert.
»Hier, im Kreuzworträtsel«, beschwerte sich Eva und
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