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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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erzählen», erwiderte sie.
    «Wie ist es passiert? »
    «Ich weiß bloß, daß er bei einem Luftangriff auf Madrid ums Leben gekommen ist. Einer seiner Kameraden kam, um es mir zu sagen. Von der Regierung bekam ich eine Nachricht von einer Zeile: Von wegen, dachte ich. Sie nippte an ihrem Kaffee. «Dann mußte ich ins Luftfahrtministerium kommen und eine Erklärung unterschreiben, daß ich über das, was passiert war, schweigen und keine Trauer tragen würde. Kannst du dir das vorstellen, Bernie? Ich durfte nicht mal Schwarz tragen, und er war mein Mann! Es war die einzige Möglichkeit, eine Rente zu kriegen.» Sie lächelte bitter und setzte hinzu: « Nun, sie meinen es gewiß so.» Sie nahm ihr Taschentuch heraus und schneuzte sich die Nase.
    «Man soll die Nationalsozialisten nie unterschätzen, wenn's um Pantheismus geht», sagte ich. «Der einzelne Mensch ist ohne Bedeutung. Heutzutage nimmt deine eigene Mutter es hin, wenn du verschwindest. Niemanden kümmert das.»
    Niemanden kümmert es, nur mich, dachte ich. Mehrere Wochen lang, nach meiner Freilassung aus Dachau, war das Verschwinden von Inge Lorenz mein einziger Fall. Aber manchmal hat sogar Bernie Gunther kein Glück.
    Wenn man im Spätherbst des Jahres 1936 in Deutschland nach einer verschwundenen Person suchte, war das etwa so, als versuche man in einer großen Schreibtischschublade etwas zu finden, die auf den Boden geworfen, deren Inhalt verstreut und dann nach einem neuen System wieder eingeräumt worden war, so daß man manche Dinge gar nicht mehr und dafür andere findet, die überhaupt nicht hineinzugehören scheinen.
    Allmählich stumpfte mein Eifer ab, die Gleichgültigkeit der anderen ließ ihn ermatten. Inges frühere Kollegen von der Zeitung zuckten die Achseln und sagten, so gut hätten sie Inge auch nicht gekannt. Nachbarn schüttelten die Köpfe und äußerten, solche Sachen müsse man mit Gleichmut ertragen. Otto, ihr Verehrer von der DAF, glaubte, daß sie bald wiederauftauchen werde. Ich konnte keinen von ihnen tadeln. Ein weiteres Haar von einem Kopf zu verlieren, der schon so viele eingebüßt hatte, schien lediglich ein lästiger Vorfall zu sein.
    Während ich stille, einsame Abende mit meiner freundlichen Flasche verbrachte, versuchte ich oft, mir vorzustellen, was ihr wohl zugestoßen sein konnte: ein Autounfall; vielleicht eine Art von Gedächtnisverlust; ein emotionaler oder mentaler Zusammenbruch; ein Verbrechen, das sie begangen hatte und das ihr sofortiges und dauerndes Untertauchen erforderte. Aber immer wieder landete ich bei Entführung und Mord, und ich wurde die Vorstellung nicht los, daß, was immer ihr zugestoßen sein mochte, mit dem Fall zusammenhing, an dem ich gearbeitet hatte.
    Selbst nach zwei Monaten, als man normalerweise erwarten durfte, daß die Gestapo irgend etwas rausließ, war Bruno Stahlecker, kürzlich von Berlin zu einem bedeutungslosen kleinen Kripo-Revier im Spreewald versetzt, noch immer nicht in der Lage, einen Hinweis zu entdecken, daß Inge hingerichtet oder in ein KZ geschickt worden war. Und wie oft ich auch in Haupthändlers Haus am Wannsee zurückkehrte in der Hoffnung, einen Hinweis auf das zu finden, was sich dort abgespielt hatte, ich entdeckte nichts.
    Solange Inges Mietvertrag noch lief, ging ich oft in ihre Wohnung und suchte nach Geheimnissen, die sie vielleicht nicht mit mir hatte teilen wollen. Allmählich entfernte sie sich in meiner Erinnerung. Da ich kein Foto hatte, vergaß ich ihr Gesicht, und mir wurde bewußt, wie wenig ich in Wirklichkeit von ihr gewußt hatte, abgesehen von ein paar spärlichen Fakten.
    Aus Wochen wurden Monate. Ich wußte, daß meine Chancen, Inge zu finden, fast wie bei einer umgekehrten arithmetischen Reihe, immer kleiner wurden. Und mit den Spuren schwand auch die Hoffnung. Ich spürte - ich wußte-, daß ich sie nie wiedersehen würde.

    Dagmar bestellte noch einmal Kaffee, und wir sprachen darüber, was wir in der Zwischenzeit gemacht hatten. Aber ich erzählte ihr nichts von Inge oder von meinem Aufenthalt in Dachau. Es gibt gewisse Dinge, über die man nicht beim Morgenkaffee plaudern kann.
    «Wie gehen die Geschäfte?» wollte sie wissen.
    «Ich habe mir einen neuen Wagen gekauft, einen Opel.» «Also müssen sie ganz gut laufen.»
    «Wie steht es mit dir?» fragte ich. «Was treibst du? » «Ich wohne wieder bei meinen Eltern. Ich schreibe Maschine in Heimarbeit», sagte

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