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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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durcheinanderbrachten. Ich kam mir vor wie Herkules bei seinem Versuch, die Ställe des Augias auszumisten.
    Wie beschreibt man das Unbeschreibliche? Wie kann man über etwas sprechen, das dich vor Entsetzen stumm macht? Es gab viele, beredter als ich, die einfach unfähig waren, die rechten Worte zu finden. Es ist ein Verstummen, geboren aus Scham, denn selbst die Schuldlosen sind schuldig. Aller menschlichen Rechte beraubt, wird der Mensch wieder zum Tier. Der Verhungernde bestiehlt den Verhungernden, und das eigene Überleben ist der einzige Antrieb, der sich über die Erfahrung hinwegsetzt, sie sogar auslöscht. Mit einem Übermaß an Arbeit, das war das Ziel, wollte man in Dachau den menschlichen Geist zerstören, wobei der Tod ein unvorhergesehenes Nebenprodukt war. Man überlebte durch das stellvertretende Leiden anderer: Du warst für eine Weile sicher, wenn es ein anderer Mann war, der geschlagen oder gefoltert wurde; ein paar Tage lang konntest du vielleicht die Ration des Mannes auf der Pritsche neben dir verschlingen, nachdem er im Schlaf gestorben war.
    Um am Leben zu bleiben, ist es zuerst notwendig, ein bißchen zu sterben.
    Bald nach meiner Ankunft in Dachau wurde mir die Aufsicht über eine jüdische Arbeitskolonne übertragen, die in der nordwestlichen Ecke des Lagergeländes eine Werkstatt baute. Für die Männer hieß das, daß sie Schubkarren mit Steinbrocken beladen mußten, von denen jeder bis zu dreißig Kilogramm wog, und diese hügelaufwärts aus dem Steinbruch über eine Entfernung von mehreren hundert Metern zur Baustelle schieben mußten. Nicht alle SS-Männer in Dachau waren Schinder: Einige waren vergleichsweise zurückhaltend und schafften es, sich durch kleine Nebengeschäfte ein bißchen Geld zu verdienen. Da sie dabei auf die billige Arbeit und die vielfältigen Geschicklichkeiten der Häftlinge angewiesen waren, lag es in ihrem Interesse, daß diese sich nicht zu Tode schufteten. Aber die SS-Männer, die beim Bau die Aufsicht führten, waren Schinder durch und durch. Meistens waren sie bayerische Bauernknechte, ehemalige Arbeitslose, deren Sadismus weniger raffiniert war als der, den ihre großstädtischen Gegenstücke im ColumbiaHaus praktiziert hatten. Aber er war genauso wirksam.

    Meine Arbeit war leicht: Als Aufseher wurde von mir nicht verlangt, die Steinblöcke zu stemmen; aber für die Juden in meiner Kolonne war es einfach eine mörderische Arbeit. Die SS stellte für die Fertigstellung eines Fundaments oder einer Mauer immer bewußt knappe Zeitpläne auf, und wenn man die Vorgaben nicht schaffte, bedeutete das kein Essen oder Wasser. Alle, die vor Erschöpfung zusammenbrachen, wurden auf der Stelle erschossen.
    Zuerst legte ich selber mit Hand an, und die Wachen fanden das ungeheuer lustig; und es war keinesfalls so, daß aufgrund meiner Beteiligung die Arbeit auch nur ein bißchen angenehmer geworden wäre. Ein SS-Mann sagte zu mir:
    « Was ist los, bist du ein Judenfreund oder was? Ich kapier's nicht. Du brauchst ihnen nicht zu helfen, also warum quälst du dich? »
    Einen Augenblick fiel mir nichts ein. Dann sagte ich: «Damit du's nicht kapierst. Deshalb muß ich mich quälen.»
    Er sah mich erst verblüfft, dann verärgert an. Einen Augenblick dachte ich, er würde auf mich losgehen, doch statt dessen lachte er bloß und sagte: «Ist schließlich deine eigene verdammte Beerdigung.»
    Nach einer Weile wurde mir klar, daß er recht hatte. Die schwere Arbeit brachte mich um, genauso wie sie die Juden in meiner Kolonne umbrachte. Und darum hörte ich damit auf. Weil ich mich schämte, half ich dabei, einen Sträfling, der zusammengebrochen war, unter ein paar leeren Schubkarren zu verstecken, bis er sich so weit erholt hatte, um weiterarbeiten zu können. Und das tat ich auch weiterhin, obwohl ich wußte, daß ich damit riskierte, ausgepeitscht zu werden. Spitzel gab es in Dachau an jeder Ecke. Die anderen Sträflinge warnten mich vor ihnen, worin eine gewisse Ironie lag, weil ich dabei war, selber einer zu werden.
    Ich wurde nicht dabei erwischt, als ich einen Juden, der zusammengebrochen war, versteckte, aber sie fingen an,

    mich deswegen zu verhören, so daß ich annehmen mußte, daß ich verpfiffen worden war, wovor man mich ja gewarnt hatte. Ich wurde zu fünfundzwanzig Hieben verurteilt.
    Die Schmerzen fürchtete ich nicht so sehr, sondern vielmehr die Aussicht, nach der Bestrafung möglicherweise ins Lagerkrankenhaus geschickt zu werden. Weil dort die Mehrheit

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