Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
ich das große, dunkle Mercedes-Kabriolett, das etwa zwanzig Meter hinter mir parkte, und die beiden Männer, die daran lehnten und auf jemanden warteten. Ich straffte mich, als einer der beiden seine Zigarette wegwarf und rasch auf mich zuging. Als er näher kam, erkannte ich, daß er für einen Gestapo-Mann zu gepflegt war und daß der andere eine Chauffeur-Uniform trug, obwohl er, gebaut wie ein Variete-Gewichtheber, in einem Trikot aus Leopardenfell erheblich mehr hergemacht hätte. Seine alles andere als diskrete Anwesenheit gab dem gutgekleideten jüngeren Mann unverkennbar Selbstvertrauen.
«Herr Gunther? Sind Sie Bernhard Gunther?» Er blieb vor mir stehen, und ich warf ihm einen Blick zu, der den stärksten Bären gefällt hätte: Ich kann Leute nicht leiden, die mich um ein Uhr morgens vor meinem Haus ansprechen.
«Ich bin sein Bruder. Bernhard ist im Augenblick nicht in der Stadt.» Der Mann grinste breit. Das kaufte er mir nicht ab.
«Bernhard Gunther, der Privatdetektiv? Mein Chef würde sich gern mit Ihnen unterhalten.» Er deutete auf den großen Mercedes. «Er wartet im Wagen. Ich sprach mit der Frau des Hausmeisters, und sie sagte mir, daß Sie am Abend zurück sein würden. Das war vor drei Stunden. Sie sehen also, daß wir ziemlich lange gewartet haben. Es ist wirklich sehr dringend.»
Ich hob das Handgelenk und warf einen Blick auf meine Uhr.
« Freundchen, es ist zwanzig vor zwei. Also, was immer Sie mir verkaufen wollen, ich bin nicht interessiert. Ich bin müde, und ich bin betrunken, und ich will ins Bett. Ich habe ein Büro am Alexanderplatz, also tun Sie mir den Gefallen und warten Sie bis morgen.»
Der junge Mann, ein freundlicher Bursche mit einem Frischlingsgesicht und einer Blume im Knopfloch, stellte sich mir in den Weg. «Die Sache kann nicht bis morgen warten», sagte er, und dann lächelte er gewinnend. «Bitte, sprechen Sie mit ihm, es dauert bloß eine Minute, ich bitte Sie.»
«Mit wem soll ich sprechen? » knurrte ich und warf einen Blick zum Wagen hinüber.
«Hier ist seine Karte.» Er reichte sie mir, und ich starrte sie blöde an, als wäre sie das Gewinnlos einer Tombola. Er beugte sich vor und las laut, ohne hinzusehen: «Dr. Fritz Schemm, Deutscher Rechtsanwalt, Schemm & Schellenberg, Unter den Linden 67. Das ist eine gute Adresse.»
«Das stimmt», sagte ich. «Aber ein Rechtsanwalt von einer so gediegenen Firma, der sich nachts draußen rumtreibt? Denken Sie, ich glaube an Märchen?» Aber ich folgte ihm trotzdem zum Wagen. Der Chauffeur öffnete die Tür. Einen Fuß auf dem Trittbrett, lugte ich ins Innere. Ein nach Kölnischwasser riechender Mann beugte sich vor, das Gesicht im Schatten verborgen, und als er sprach, war seine Stimme kalt und unfreundlich, als quäle er sich auf einer Kloschüssel. «Sie sind Gunther, der Detektiv? »
«Richtig », sagte ich, «und Sie sind ... » Ich tat so, als läse ich von seiner Visitenkarte ab - «Dr. Fritz Schemm, Deutscher Rechtsanwalt». Ich sprach das Wort «deutscher» mit einer bewußt sarkastischen Betonung aus. Ich habe es auf Visitenkarten und Ladenschildern wegen seiner Betonung der rassischen Anständigkeit immer gehaßt; und das um so mehr, weil dies mittlerweile - zumindest was Rechtsanwälte betrifft - ganz und gar überflüssig ist, weil man jüdischen Anwälten ohnehin verboten hat zu praktizieren. Ich würde nie auf die Idee kommen, mich als «Deutscher Privatdetektiv», als «Evangelischer Privatdetektiv», «Asozialer Privatdetektiv» oder als «Verwitweter Privatdetektiv» zu bezeichnen, obwohl ich alles das eine Zeitlang war oder noch bin (heutzutage lasse ich mich in der Kirche selten blicken). Es ist wahr, daß viele meiner Kunden Juden sind. Es lohnt sich, für sie zu arbeiten (sie zahlen bar), und immer wieder geht es um dieselbe Sache - um verschwundene Personen. Auch die Ergebnisse meiner Nachforschungen sind fast immer dieselben: eine Leiche, mit freundlicher Hilfe der Gestapo oder SA in den Landwehrkanal gekippt; ein einsamer Selbstmord in einem Ruderboot auf dem Wannsee oder ein Name auf einer Polizeiliste von Verurteilten, die man ins KZ geschickt hatte. Ich mochte ihn deshalb auf Anhieb nicht, diesen Anwalt, diesen Deutschen Anwalt.
Ich sagte: «Hören Sie, Herr Doktor, wie ich Ihrem Laufburschen soeben gesagt habe, bin ich müde und betrunken genug, um zu vergessen, daß ich einen Bankdirektor habe, der sich um mein Wohlergehen sorgt.» Schemm faßte in seine Jackentasche, und ich zuckte
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