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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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mich in meine alten Räume und ließ ihren Sohn mein Gepäck raufbringen. Ich dankte ihr noch einmal und sagte ihr, daß ich gern frühstücken würde, sobald ich mich umgezogen hätte.
    «Alles da», sagte sie, als ihr Sohn meine Reisetaschen auf das Gepäckgestell stellte. «Ich bekam eine Quittung für die paar Sachen, die die Polizei mitnahm: Papiere und derglei chen.» Dann lächelte sie freundlich, wünschte mir einen an genehmen erneuten Aufenthalt und schloß die Tür hinter sich. Als typische Wienerin zeigte sie kein Verlangen zu er fahren, was mir zugestoßen war, seit ich zum letztenmal in ihrem Haus gewesen war.
    Sobald sie das Zimmer verlassen hatte, öffnete ich meine Reisetasche und fand, beinahe erstaunt und ungemein er leichtert, daß ich noch immer im Besitz von zweitausend Dollar in bar und einigen Stangen Zigaretten war. Ich legte mich auf das Bett, rauchte eine Memphis und empfand na hezu Vergnügen dabei. Während ich frühstückte, öffnete ich den Umschlag und las die Nachricht. Sie bestand aus einem einzigen kurzen Satz in Kyrillisch: «Treffen Sie mich heute morgen um elf Uhr in der Kaisergruft. » Eine Unterschrift fehlte, doch war sie kaum nötig. Als Frau Blum-Weiss an mei nen Tisch zurückkam, um das Geschirr abzuräumen, fragte ich sie, wer die Nachricht gebracht hätte.
    «Es war bloß ein Schuljunge, Herr Gunther», sagte sie und stellte das Geschirr auf ein Tablett, «ein gewöhnlicher Schuljunge.»
    «Ich muß jemanden treffen}), erklärte ich. <    « Die Kapuzinergruft ? » Sie wischte ihre Hand an der wohl gestärkten Schürze ab, als sei sie im Begriff, den Kaiser selbst zu begrüßen, und dann bekreuzigte sie sich. Die Erwähnung hoher Herrschaften scheint den Wienern immer doppelten Respekt einzuflößen. «Ja, die ist an der Kapuzinerkirche am Neuen Markt. Aber seien Sie rechtzeitig dort, Herr Gunther. Die Gruft ist morgens nur von zehn bis zwölf Uhr geöffnet. Ich bin sicher, Sie werden es sehr interessant finden.»
    Ich lächelte und nickte dankbar. Ich würde es ohne Zwei fel ganz bestimmt sehr interessant finden.
    Der Neue Markt sah eigentlich kaum wie ein Marktplatz aus. Eine Anzahl von Tischen war dort aufgestellt wie in einem Straßencafe. Es gab dort Gäste, die keinen Kaffee tranken, Kellner, die wenig Neigung zu verspüren schienen, sie zu bedienen, und weit und breit war kein Cafe zu sehen, das Kaffee hätte liefern können. Alles sah ganz provisorisch aus, selbst wenn man berücksichtigt, daß Wien im Wieder aufbau war. Es gab auch einige Leute, die bloß guckten, fast so, als sei ein Verbrechen geschehen und jeder warte auf die Polizei. Aber ich achtete kaum darauf, und als es vom nahen Glockenturm elf läutete, eilte ich zur Kirche.
    Für jenen Zoologen, der dem berühmten Äffchen seinen Namen gegeben hatte, war es von Vorteil, daß die Lebens weise der Kapuzinermönche um einiges bemerkenswerter war als ihre unscheinbare Kirche in Wien. Verglichen mit den meisten anderen Gotteshäusern in dieser Stadt, sah die Ka puzinerkirche so aus, als hätten die Mönche zur Zeit des Baus mit dem Calvinismus geliebäugelt. Entweder das oder dem Schatzmeister des Ordens hatte das Geld für die Bild hauer gefehlt; sie wies nicht eine einzige Skulptur auf. Für mich war die Kirche so unauffällig, daß ich daran vorbeige gangen war, ohne sie auch nur zu beachten. Ich hätte das vielleicht wieder getan, hätte ich nicht mit angehört, wie eine Gruppe amerikanischer Soldaten, die in einem Torweg her umlungerten, von den « Steifen» sprachen. Meine neue Ver trautheit mit dem Englischen, wie es die Pfleger im Militär hospital gesprochen hatten, verriet mir, daß die Gruppe die Absicht hatte, ebenfalls die Gruft zu besichtigen. Bei einem alten, mürrischen Mönch zahlte ich einen Schilling Eintritt und betrat einen langen, zugigen Gang, den ich für einen Teil des alten Klosters hielt. Eine enge Treppe führte hinunter in die Gruft. Genaugenommen war es nicht eine Gruft, sondern es handelte sich um acht miteinander verbundene Grüfte, in denen es weniger düster war, als ich erwartet hatte. Das In nere war schlicht, die Wände einfach weiß getüncht, zum Teil marmorverkleidet und stand in deutlichem Gegensatz zur Pracht der Sarkophage.

    Hier ruhten die sterblichen Überreste von mehr als hun dert Habsburgern, wenngleich der Reiseführer, den ich vor sorglich mitgenommen hatte, mich darüber aufklärte, daß ihre Herzen, einbalsamiert in

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