Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Linden zu einem befriedigenden Abschluß gebracht sei. Shields' ein zige Genugtuung bestand vielleicht in der Erkenntnis, daß die 796. Militärpolizei, die immer noch unter dem Skandal zu leiden hatte, daß Russen sich als amerikanische Militär polizisten ausgegeben hatten, jetzt über etwas verfügte, was sie der 430. eIe aufs Brot schmieren konnte: einen russi schen Spion, der sich als Mitglied des eIe ausgab, der rich tige Ausweispapiere hatte, in einem vom Militär beschlag nahmten Hotel wohnte, ein auf einen amerikanischen Offi zier zugelassenes Fahrzeug fuhr und sich nach Belieben in amerikanischen Sicherheitsbereichen bewegte. Ich wußte, für einen Mann wie Roy Shields würde das nur ein schwacher Trost sein: ein Polizist, der die Sauberkeit geradezu zum Fe tisch erhoben hatte. Ich konnte mich leicht in ihn hineinver setzen. Dieses Gefühl hatte ich oft genug selber empfunden.
Bei den beiden letzten Befragungen hatte man Shields durch einen anderen Mann ersetzt, einen Österreicher, und ich sah ihn nie wieder.
Weder Breen noch Medlinskas erzählten mir etwas, als sie schließlich ihre Untersuchung abgeschlossen hatten. Sie lie ßen auch nicht im mindesten erkennen, ob sie mit meinen Antworten zufrieden gewesen waren. Sie ließen die Sache einfach in der Schwebe. Aber so machen das die Geheim dienstler nun mal.
Im Lauf der folgenden zwei oder drei Wochen erholte ich mich vollständig von meinen Verletzungen. Jedoch war ich amüsiert und schockiert, als ich von dem Gefängnisarzt er fuhr, daß ich bei meiner Einlieferung ins Krankenhaus nach meinem Unfall an Tripper gelitten hatte.
«Erstens haben Sie verdammtes Glück gehabt, daß man Sie hierher gebracht hat», sagte er, « denn wir haben hier Pe nicillin. Hätte man Sie nicht in ein amerikanisches, sondern in irgend ein anderes Krankenhaus gebracht, wären Sie mit Salvarsan behandelt worden, und das Zeug brennt wie der Teufel. Und zweitens hatten Sie Glück, daß es bloß ein Trip per war und keine russische Syphilis. Die kann man sich bei fast jeder Wiener Nutte holen. Habt ihr Deutschen denn nie was von Parisern gehört? »
«Natürlich. Aber wir benutzen sie nicht. Wir geben sie der fünften Kolonne der Nazis, und die stechen Löcher rein und verkaufen sie an die GIs, damit sie sich beim Vögeln anstek ken.» Der Arzt lachte. Aber ich hätte gewettet, daß er mir irgendwo in seinem Hinterkopf glaubte. Das war nur eines von vielen ähnlichen Erlebnissen, die ich während meiner Rekonvaleszenz hatte, als mein Englisch langsam besser wurde und ich mich mit den bei den amerikanischen Pflegern unterhalten konnte. Doch obwohl wir lachten und Witze machten, kam es mir immer so vor, als sei etwas Abweisen des in ihren Augen, das ich aber nicht benennen konnte.
Und dann, wenige Tage, bevor ich entlassen wurde, wurde es mir auf furchtbare Weise klar: Diese Amerikaner behan delten mich so frostig, weil ich ein Deutscher war. Es war, als liefe, wenn sie mich ansahen, in ihren Köpfen der Wochenschaufilm über Bergen-Belsen und Buchenwald ab. Und der Ausdruck in ihren Augen war eine Frage: Wie konntet ihr so etwas zulassen? Wie konntet ihr zulassen, daß so etwas passiert? Vielleicht werden noch viele Genera tionen hindurch andere Nationen, wenn sie uns in die Augen blicken, immer diese unausgesprochene Frage in ihren Her zen haben.
38
Es war ein freundlicher Septembermorgen, als ich in einem schlechtsitzenden Anzug, den mir die Pfleger am Militärhos pital geliehen hatten, in meine Pension in der Skodagasse zu rückkehrte. Die Besitzerin, Frau Blum-Weiss, begrüßte mich herzlich, teilte mir mit, daß mein Gepäck sicher im Keller un tergebracht sei, händigte mir eine Nachricht aus, die erst vor einer halben Stunde eingetroffen war, und fragte mich, ob ich frühstücken wolle. Ich bejahte, und nachdem ich ihr da für gedankt hatte, daß sie auf meine Sachen aufgepaßt hatte, wollte ich wissen, ob ich ihr etwas schuldig sei.
«Doktor Liebl hat alles geregelt, Herr Gunther», sagte sie. «Aber wenn Sie Ihre alten Räume wiederhaben wollen, ist das kein Problem. Sie sind nicht belegt.»
Da ich keine Ahnung hatte, wann ich nach Berlin würde zurückkehren können, sagte ich ja.
«Hat Doktor Liebl mir eine Nachricht hinterlassen?» fragte ich, obgleich ich die Antwort bereits kannte. Er hatte während meines Aufenthalts im Militärhospital keinen Ver such gemacht, mit mir in Verbindung zu treten.
«Nein », sagte sie, «keine Nachricht.»
Dann führte sie
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