Bernie allein unterwegs
und sie konnte die Mundwinkel nach unten ziehen und die Nase kräuseln.
Außerdem war sie schrecklich mager und stolzierte mit hohen Stöckelabsätzen durch die Gegend, vor denen man richtig Angst bekommen konnte. Damit konnte sie einen kleinen Hund glatt erstechen! Schauderhaft!
Gerade als sie mich so merkwürdig anstarrte, konnte ich es mir einfach
nicht verkneifen und zwinkerte ihr zu. Zusätzlich streckte ich das rechte Ohr in die Höhe.
Danach saß ich wieder genauso unbeweglich da, als wäre nichts gewesen.
Tante Hulda schrie auf, wich ein paar Schritte zurück, nahm die Brille ab, legte sie auf den Schreibtisch und rieb sich die Augen.
Ich knurrte leise.
Sie drehte sich um und stürzte in heilloser Panik aus dem Zimmer. Dabei quiekte sie wie ein kleines Ferkel.
Ich war äußerst zufrieden mit mir. Langsam begann mir Tante Hulda Spaß zu machen. Prima war auch, dass die Frischluftfanatikerin Hulda das Fenster offen gelassen hatte. So konnte ich wenigstens ein bisschen im Garten herumspazieren und ’ne Runde pinkeln.
TANTE HULDA SIEHT EINEN GESPENSTERHUND
Die Familie war so mit dem Mittagessen und mit Tante Hulda beschäftigt, dass ich in Ruhe die ganze Hecke abschnüffeln und den Zaun kontrollieren konnte. So ist das mit mir. Wenn irgendwo ein Zaun ist, muss ich immer untersuchen, ob es nicht vielleicht doch ein Loch gibt, durch das man hinaus- und hereinkriechen kann.
Aber ich fand keins. Noch nicht mal ein klitzekleines für eine magere Katze. Bei Redlichs war eben alles picobello.
Allerdings stand hinter dem Schuppen neben einem Holzklotz eine leere Schnapsflasche. Na, so was! Vielleicht hatte die der Onkel stehen lassen. Das war ja eine wundervolle Beute! Endlich hatte ich etwas, was mir gehörte. Ich trug sie bis zum Fenster, denn nach meinem kleinen Spaziergang wollte ich sie mit ins Zimmer nehmen. Man wusste ja nie, wozu sie vielleicht gut sein konnte.
Ich beschloss, ein bisschen zu horchen, und stellte mich unters Wohnzimmerfenster.
»Aber du isst ja gar nichts, Hulda«, sagte Maikes Mutter Katrin gerade. »Schmeckt’s dir nicht?«
»Wenn ich so im Essen rumstochere, krieg ich eins hinter die Löffel«, meinte Maikes kleiner Bruder Tom.
Ich hörte, wie Maike gluckste.
»Mir ist der Appetit vergangen«, fauchte Tante Hulda.
»Warum denn?« Robert Redlich klang nicht gerade so, als wäre er an der Antwort sonderlich interessiert.
»Weil in meinem Zimmer ein Hund ist!« Tante Huldas Stimme war hoch und schrill. »Ein dreckiger, stinkender Köter!«
Wenn ich noch einen Funken Sympathie für Tante Hulda gehabt hatte, weil sie einfach nichts dafür konnte, dass sie so war, wie sie war, dann hatte sie sich mit diesem Satz selbst alles kaputt gemacht. Ich war nicht dreckig und nicht stinkend, und es war gemein, dass sie mich als Köter bezeichnete. Ich nannte sie auch nicht aufgetakelte alte Schachtel, aber das konnte sich ja ändern. Und außerdem hatte ich das nicht verdient, weil ich ihr absolut nichts getan hatte. Ich hatte nur einmal kurz gezwinkert und mit meinem Schlappohr Hallo gewinkt.
Maikes Vater prustete los. »Was soll in Maikes Zimmer sein?«
»Ein Köter!«
»Hulda, ich bitte dich! Das wüssten wir aber.«
»Natürlich habt ihr das gewusst. Aber niemand sagt mir einen Ton, sondern ihr lasst mich in diesem Plüschzwinger schlafen. Hunde haben im Haus nichts zu suchen. Das ist unhygienisch. «
»Ein Hund!«, krähte Tom. »Cool!«
»Ich glaube, Tante Hulda hat ein paar Minuten geschlafen und geträumt«, meinte Maike ruhig. Bestimmt wollte sie unbedingt
vermeiden, dass die gesamte Familie in ihr Zimmer ging, um es nach einem Hund zu durchsuchen.
»Das glaube ich auch.« Ich sah förmlich vor mir, wie Maikes Mutter ihrer Tochter zunickte, bevor sie sich wieder an ihre Tante wandte. »Wie geht es dir denn überhaupt, Hulda? Was macht dein Kreislauf? Nimmst du morgens immer noch diese starken Tropfen, damit dir nicht schwindlig wird?«
Da ich keine Lust hatte, mir Tante Huldas Krankengeschichte anzuhören, galoppierte ich eine Runde durch den Garten. Ich musste es ausnutzen, mich bewegen zu können. Wer weiß, wie lange ich wieder unbeweglich auf der Couch zwischen dem Schäferhund und dem Plüschbernhardiner sitzen musste.
Kurz bevor ich wieder unter dem Wohnzimmerfenster war, hörte ich einen spitzen Schrei. Ich presste mich an die Hauswand und stellte die Ohren auf.
»Da war er wieder!«, keuchte Hulda. »Genau der Hund, der oben auf der Couch gesessen hat! Ein
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