Bernstein Verschwörung
es wurde langsam Zeit, sich mal wieder um private
Dinge zu kümmern.
Donnerstag
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Sieben
8.20 Uhr, Redaktion
der Wupperwelle
Manfred Jordan blickte
über den Rand seiner Brille, als Heike und Stefan leicht
verkatert die Redaktion betraten. Sie hatten wenig geschlafen und
waren entsprechend müde. Es schien arbeitstechnisch ein
ruhiger Tag zu werden; Stefan hatte die Sendung zur Mittagszeit,
und Heike war als Reporterin vom Dienst eingeteilt. Somit
unterstützte sie die Kollegen der Nachrichtenredaktion,
recherchierte im Hintergrund und sprach aktuelle Beiträge ein,
die später in den Nachrichten laufen würden.
»Spät dran, was?«, brummte Jordan und blickte
bezeichnend auf die Armbanduhr. Um halb liefen die nächsten
Lokalnachrichten, und er feilte an den Moderationen, die er gleich
darauf live sprechen würde. Zuletzt kamen immer die
Verkehrsnachrichten herein. Wenn es in der Stadt einen Stau oder
eine Radarkontrolle gab, dann erfuhr der kleine Sender meist durch
die Anrufe der Hörer davon und konnte schnell und flexibel
reagieren. Die Redaktion des kleinen Senders am Alten Markt war in
einem lichtdurchfluteten Großraumbüro untergebracht. Im
Erdgeschoss waren die Räumlichkeiten einer deutschen Bank
angesiedelt; das erste Obergeschoss wurde von der Wupperwelle
eingenommen. Von der großen Fensterfront aus hatte man einen
Ausblick auf die Wupper, über die sich das grüne
Stahlgerüst der Schwebebahn spannte. Rechter Hand lagen die
große Kreuzung und die Schwebebahnstation, links lag das
Opernhaus. »Erzähl was Neues«, erwiderte Stefan
nun. »Finanzkrise.« Manfred Jordan hatte die
Angewohnheit, kurz vor den Nachrichten in Stichworten zu
sprechen.
»Wuppertal
pleite, Oberbürgermeister steht im Kreuzfeuer der
Öffentlichkeit. Hätte schon längst die Notbremse
ziehen müssen.«
Der parteilose
Johannes Alt war erst kürzlich in der zweiten
Legislaturperiode zum Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal
gewählt worden. Mit der Vorstellung des
Haushaltssicherungskonzeptes unmittelbar nach der Wahl hatte er
sich nicht unbedingt beliebt bei den Bürgern gemacht. Die
Bezirksregierung in Düsseldorf drehte der Stadt den Hahn zu,
und Alt war gezwungen, unpopuläre Maßnahmen zu treffen.
Die Schließung des Schauspielhauses, von vielen Wuppertalern
als ein Angriff auf die Kultur der Stadt gewertet, war nur ein
Punkt des Konzeptes, das Alt der Landesregierung vorgelegt hatte.
»Er beruft sich auf die Bezirksregierung in
Düsseldorf«, erwiderte Heike und runzelte die Stirn.
»Oder gibt es etwas Neues?«
Der
Nachrichtenredakteur löste sich vom Anblick seines Monitors
und blickte Stefan und Heike wie zwei Außerirdische an.
»Sagt mal«, murmelte er, während er mit der Maus
herumklickte und hinter ihm ein Drucker anlief. »Hört
ihr eigentlich kein Radio?«
»Normalerweise
schon«, brummte Stefan. »Also — mach es nicht so
spannend!«
»Das
Haushaltssicherungskonzept der Stadt greift. Schauspielhaus zu,
einige Bäder dicht, Bibliotheken dicht und der
Schwebebahnausbau …« Er winkte ab. »Kann sich
noch um Jahre handeln. Wahrscheinlich sind die neuen Züge
früher da als das Gerüst und die
Bahnhöfe.«
»Und was hat Alt
mit der Sache zu tun?« Heike verstand den Zusammenhang nicht.
Es war nichts Neues, dass die Stadt sich seit einiger Zeit in einer
finanziellen Schieflage befand. Viele warfen dem
Oberbürgermeister vor, mit der Wahrheit hinter dem Berg
gehalten zu haben, um die Wahl zum OB für sich entscheiden zu
können. »Er lächelt in jede Kamera, ist
medienwirksam überall da, wo ein neuer Sandkasten eingeweiht
wird«, murmelte Jordan, griff hinter sich in den
Druckerschacht, überflog die Manuskripte für die
nächsten Nachrichten und erhob sich,
»'tschuldigung«, brummte er und deutete mit dem Kinn
auf die große Funkuhr an der Wand. »Aber ich muss, der
Countdown läuft schon.«
Im Laufschritt
entfernte er sich in Richtung des gläsernen Studios und stand
im nächsten Augenblick schon mit Headset am Pult, um nach dem
eingeblendeten Nachrichten-Jingle die Neuigkeiten zu verlesen.
»Weißt du, was er meint?« Heike blickte Stefan
ratlos an. »Das, was alle wissen«, murmelte er.
»Die Stadt ist hoch verschuldet, angeblich wusste Alt nichts
davon und hat sich wiederwählen lassen, um jetzt die Bombe
platzen zu lassen. Aber er ist wieder für die nächsten
Jahre im Amt, und das macht einige Leute in der Stadt ziemlich
sauer.«
»Dass er nicht
überall beliebt ist, war mir
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