Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Gravitation beinahe auf der Luft ritt. Sie runzelte die Stirn, aß aber stumm weiter. Er begann unbehaglich ein Gespräch. „Ich bin wirklich beeindruckt. Das ist ein verdammt hübsches Schiff. Ich …“
„Sieht ja ganz so aus, als würden Sie beide besser miteinander auskommen, als ich gedacht habe.“ Siamang schwebte im Schacht von der Decke herunter. „Legen Sie ein gutes Wort für mich ein, Red, falls Sie weitere Fortschritte machen sollten.“
Dartagnan sah auf, spürte die Schärfe in Siamangs Stimme. Er grinste. „Werde ich tun, Boß … falls ich weitere Fortschritte mache.“
Die Pilotin nahm wortlos ihr Tablett auf, schwebte in einem weiten Kreis zum Schacht und verschwand nach oben. Chaim hörte, wie sie die Tür ihrer Kabine zuschlug und dann, in der eingetretenen Stille deutlich zu hören, den Schlüssel herumdrehte. Dieses Mal war es Siamang, der zu laut lachte. Siamang betrachtete den Erhitzer, den verlassenen Tisch, die Gabel, die zwischen ihren Zinken in Soße getunktes Gemüse halbwegs zu Dartagnans Mund geführt hatte. Siamang zog die Brauen in die Höhe und sah sich um.
Dartagnan senkte die Gabel. Ihm fiel etwas Neues und Besonderes an den Augen auf. „Ich hab’ gerade angefangen, Boß – wenn Sie meines wollen? Ich kann mir was Neues wärmen.“ Er bot ihm sein Essen an und stieß sich vom Tisch weg.
„Wenn’s Ihnen wirklich nichts ausmacht, Red. Danke.“ Siamang bewegte sich zum Tisch, während Dartagnan sich davon entfernte. Seine Stimme klang kaum hörbar verschleiert. „Sie müssen mir eines voraus haben, Sie können’s nämlich besser mit den Frauen als ich – wenn man die als Frau bezeichnen kann. Muß an all den Lügen liegen, die Sie erzählen.“ Er hob die Gabel auf. „Sie beeindrucken mich, Red. Wie kann ein Medienmann denn so viele Lügen so überzeugend aussprechen? Wird man damit geboren?“
Chaim blickte Siamang einen Sekundenbruchteil tief in die Augen, um sich zu vergewissern, ob er richtig sah. Siamangs Augen erhellten die private Finsternis seines Verstandes wie zwei Scheinwerfer. Er sah wieder weg. Ein Aggressionsverstärker … Die hinterhältigen Worte brannten wie ein Nachglühen auf seinen Lidern. Aber die Augen waren zu hell, zu glasig, die Pupillen so geweitet, daß man keine Iris mehr sehen konnte. Siamang hatte sich mit etwas angetörnt. Dartagnan wußte nicht, womit, wollte es aber auch gar nicht wissen. Er lächelte in sich hinein. „Nein, Boß, niemand wird so geboren. Dazu braucht man Praxis. Verdammt viel Praxis.“ Er legte wie beiläufig die Abdeckung über das Okular seiner Kamera und driftete zum Erhitzer. Plötzlich hatte er den unglücklichen Gedanken, daß es während ihrer Reise zu Planet Zwei nicht allzu viele filmenswerte Szenen geben würde. Er sprach ein rasches, stummes Gebet zu niemand Bestimmtem, daß Siamang ihm viele gute Gelegenheiten bieten würde, wenn sie erst angekommen waren.
„Sagen Sie mir noch etwas, Red …“ fuhr Siamangs Stimme fort, quengelnd, vage spöttelnd.
Dartagnan lächelte, doch er sah weder Siamang noch den Raum, noch das Schiff, sondern nur die Leere dahinter. Es wird eine lange Reise werden. Hoffentlich lohnt sie sich auch.
Nach den ersten paar hundert Kilosekunden hörte Dartagnan damit auf, seine Kamera herumzutragen, wie er mit fast allem aufhörte, was ihn in Kontakt mit den anderen brachte. Siamang blieb ständig in einem Zimmer und verbarrikadierte sich so in einer Welt, die Dartagnan überhaupt nicht kennenlernen wollte. Er kam nur zu den Mahlzeiten heraus, um sich hin und wieder spöttisch über Chaims Skrupel zu äußern oder um sich die Pilotin anzusehen. Auch die Pilotin blieb meistens in ihrer eigenen Kabine, und Dartagnan kümmerte sich nicht darum, was sie tat. Sie kam nur zum Essen und um die Kontrollen abzulesen heraus, ansonsten mied sie sie beide.
Doch er nutzte ihre Abwesenheit im Laufe der Zeit, ignorierte ihre strikten Befehle und ging doch in den Kontrollraum. Er filmte die Sterne auf dem Bildschirm, beobachtete den Schirm in der behaglichen Stille und war froh, der kahlen Langeweile seiner eigenen Kabine eine Weile entronnen zu sein.
Seine Augen entfernten sich vom Bildschirm und studierten die langen Zahlenreihen, die geometrischen Figuren, die sich auf den Bildschirmen am Rand zeigten. Er runzelte die Stirn über den Winkel zur Sonne, die Position des Lichtschirms unter der Hülle, der verhinderte, daß Sonnenlicht direkt einfiel. Schließlich tippte er eine Anfrage
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