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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Koje, wo er fast das Gleichgewicht verlor.
    „Mein Vater“, sagte sie mit gesenktem Blick, ohne es zu bemerken, „wünschte sich einen Sohn. Aber er konnte keinen bekommen … genetische Schäden. Deshalb ließ er mich Pilotin werden – für ihn war das, als hätte er nun einen Sohn. Aber daran ist nichts Schlimmes.“ Sie hob die Stimme etwas. „Denn ich wollte schon immer Pilotin werden.“
    „Wirklich? Oder wollten Sie nur Ihrem Vater eine Freude machen?“ Er fragte sich, warum er das gesagt hatte.
    Sie sah ihn scharf an. „Es war mein Wunsch. Wenn ein Medienmann mit seiner ‚Arbeit’ nicht glücklich ist, warum sollte mir das dann nicht auch zugestanden werden?“
    Etwas in ihrem Blick zerbrach die Barriere seines unverletzlichen Öffentlichkeitsgesichtes. Er nickte. „Es ist nicht leicht, was? Sie machen es einem nicht leicht …“
    Sie lächelte sehr dünn. „Nein, Dartagnan … sie machen es einem niemals leicht. Aber vielleicht haben Sie mir etwas geholfen.“
    „Wollen Sie mich Chaim nennen?“
    „Ich dachte, Ihre Freunde nennen Sie Red?“
    „Ich habe keine Freunde.“
    Sie schüttelte immer noch lächelnd den Kopf, stieß sich von der Truhe ab zum Schacht. „Doch, die haben Sie.“
    Wieder allein, meditierte er über die Sterne, bis sein Verlangen erstarb und eine Wärme in seinem Verstand hinterließ, die nichts mit Sex zu tun hatte. Er genoß das, während er zuhörte, wie sie sich oben im Gemeinschaftsraum etwas zu essen wärmte. Dann hörte er noch etwas anderes: Siamangs Stimme.
    „Wie wäre es, wenn Sie mir etwas erhitzen würden, Mythili?“
    „Ich bin Pilotin, keine Köchin, Demarchos Siamang. Das müssen Sie schon selbst tun.“
    „Ich meinte etwas anderes.“
    Dartagnan hörte Tabletts auf der Theke klappern, dann ein gedämpftes, indigniertes Geräusch. „ Das müssen Sie sich auch selbst machen!“
    Dann wurde, etwas leiser, eine Tür zugeschlagen. Chaim stellte sich ihre Gestalt vor und lächelte ihr reuig zu. Na gut, deine Freundschaft ist besser als nichts, armes Rührmichnichtan …
    Doch im Verlauf der nächsten viereinhalb Megasekunden sah er nur wenig von ihr, ob als Freund oder wie auch sonst immer. Ihre gemeinsame Abscheu vor Siamang und ihre Angst, ihn irgendwie zu provozieren, stand wie eine Barriere zwischen ihnen.
    Bis schließlich Planet Zwei den Bildschirm ausfüllte: fremd, riesig, die Palette eines Malers in sterilen Grautönen – graublau, graugrün, graubraun. Die dankbare Stimme des Schiffbrüchigen erhob sich über die Lautsprecherstatik. Mythili spürte seine Funkposition auf und brachte sie in einen polaren Orbit, womit sie die graue Palette mit dem blendenden, hypnotischen Weiß von Eisflächen vertauschte. Chaim sah zum erstenmal Wolken – bleiche, ätherische Bäusche gefrorenen Wasserdampfes, die in den höchsten Ausläufern der Atmosphäre gefangen waren. Er nahm alles auf und nahm dazwischen verwundert zur Kenntnis, daß er zu den ganz wenigen Bewohnern des Himmel-Systems gehörte, die das aus erster Hand gesehen hatten. Es schien ihm, daß die Wolken vertrauter als auf Bildern wirkten, und er betrieb intelligente Konversation mit Mythili darüber, während er an ihrer Seite stand. Und als sie die letzten Vorbereitungen trafen, um das kleine Boot zu betreten, das sie aus dem Orbit hinabbringen würde, bat sie ihn mit leiser Stimme, ihr bei der Landung zu assistieren.
     
    Er saß angeschnallt in dem dick gepolsterten Sitz neben ihrem eigenen, und sogar in seinen Augen wirkte die Kabine völlig überfüllt. Siamang saß hinter ihnen, offensichtlich ernst und überraschend still. Chaim studierte Mythilis Bewegungen, sah seine Nervosität in ihren Zügen widergespiegelt, doch ihre Bewegungen waren schärfer und zielstrebiger, als wäre das nur ein Ansporn für ihre Fähigkeiten. Sie befreite sie vom Griff des Mutterschiffes und zündete die erste Rakete, die sie aus dem Orbit herausführen würde – und dann begann sie mit dem komplizierten Manöver, das weder sie noch ein anderer Pilot im Himmel-System jemals durchgeführt hatte, mit Ausnahme des Mannes, der unten gestrandet war.
    Sie traten in die oberen Schichten der Atmosphäre ein, sie leitete die zweite Zündung ein. Sie mußte sorgfältig auf ein bestimmtes Gleichgewicht achten: Ein zu rascher Fall würde ihre Zerstörung zur Folge haben, aber ein zu langsamer würde die Treibstoffreserven des Schiffes aufbrauchen, während sie immer noch hoch über der Oberfläche waren. Seit mehr als

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