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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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spürte ihren Ärger, ihre hilflose Wut, spürte einen heißen, stechenden Schmerz im Magen.
    Siamang lächelte, als er über die Möglichkeit nachdachte. „Ja, das gefällt mir … Na gut, Red, wir machen’s auf Ihre Weise. Aber es besteht kein Grund, warum ich mich nicht doch noch mit der kleinen Fukinuki vergnügen sollte …“ Er begann, die Knöpfe seiner Jacke zu öffnen.
    „Doch, den gibt es.“
    Siamang sah ihn an. „Oh?“
    „Es wird spät, die Batterien des Schiffes werden immer schwächer. Außerdem kommt Wind auf. Wenn ich uns sicher hier herausholen soll, dann möchte ich nicht länger warten … Genügt es denn nicht, sie dort draußen sterben zu sehen?“ Dartagnans Stimme wurde etwas zu laut.
    Siamang lächelte langsam wieder. „Okay, Red, Sie haben gewonnen … Ziehen Sie Ihren Anzug an, Fukinuki, ehe ich meine Meinung wieder ändere.“
    Sie ging wortlos an Dartagnan vorbei und klammerte sich an die Reste ihrer Würde. Er sah ihr zu, wie sie ihren Anzug anlegte. Sie fummelte ungeschickt, unbeholfen durch Gravitation und Nervosität. Obwohl er ihr helfen wollte, blieb Dartagnan wie versteinert stehen.
    Dann endlich wandte sie sich ihnen wieder zu. Sie hielt ihren Helm unter dem Arm. „Gut“, sagte sie kaum hörbar. „Ich bin bereit …“ Siamang durchquerte die Kabine bis zu ihr und griff hinter ihren Kopf zum Sauerstoffventil im Nacken. Sie erschauerte unter seiner Berührung. Dartagnan sah, wie er den Knopf zudrehte, der die Sauerstoff zufuhr regelte. Sein Körper spannte sich vor Anstrengung.
    „Setzen Sie Ihren Helm auf.“
    Sie atmete tief durch und streifte ihn über. Siamang verschloß ihn und führte sie zur Schleuse. Sie schritt ungeschickt, wie eine zerbrochene Puppe, hindurch.
    „Red.“ Siamang gestikulierte. „Sie haben die Ehre.“
    Dartagnan humpelte zur Kontrollplatte, während er in Gedanken die Sekunden zählte. Er konnte ihr Gesicht kaum sehen, das ihn anstarrte, sah ihren sich lautlos bewegenden Mund: Zum Teufel mit dir, zum Teufel mit dir …! Er glaubte, Tränen in ihren Augen zu sehen, war aber nicht sicher.
    Er nickte und flüsterte: „Leb wohl, Rührmichnichtan. Und viel Glück.“ Seine Hand zitterte, er drückte einen Knopf, die Tür schloß sich.
    Danach wandte er sich gemeinsam mit Siamang wieder den Kontrollen zu und wartete. Sekunden verstrichen, der Schleusenmechanismus lief weiter. Plötzlich tauchte sie auf dem Bildschirm auf, taumelte, als eine Windböe sie erfaßte, rappelte sich auf und fiel bei dem Versuch zu laufen erneut hin, als sie versuchte, die viel zu weit entfernte schützende Kuppel zu erreichen. Der blaugraue Dunst wirbelte unter ihren Füßen auf, sie fiel wieder hin, versuchte sich zu erheben, konnte es aber nicht. Schließlich sah er, wie sie nochmals versuchte, das festsitzende Ventil zu lockern … und dann löste sie den Helm. Sie war zu weit entfernt, als daß er ihr Gesicht hätte sehen können. Er ließ den Atem wieder in seine eigenen, schmerzenden Lungen einströmen. Sie hob ihre Hände in den Nacken, griff erneut nach dem Helm … sank vornüber in den Staub, wo sie gekrümmt wie ein Fötus still liegenblieb.
    Dartagnan betrachtete Siamang, sah angeekelt wieder weg. Er ließ sich in den Pilotensitz fallen und griff nach den Sicherheitsgurten. Siamang wandte sich wieder vom Schirm ab, seine obszöne Freude wurde zu verblüffter Mißbilligung. „Verschwinden wir von diesem Friedhof.“ Er ging an Chaim vorbei zu seiner eigenen gepolsterten Couch, blieb dann aber noch einmal stehen und wandte sich um. „Dieses Mal war es übrigens vorsätzlicher Mord. Und Sie haben ihn ausgeführt, Red. Vergessen Sie das nicht.“
    Dartagnan antwortete nicht. Er betrachtete den Schirm, dann den verlassenen Sitz an seiner Seite.
     
    Er brachte das Schiff sicher durch die Atmosphäre, wobei er die Erfahrung machte, daß es wesentlich einfacher war, mit einem Schiff von einem Planeten zu starten, als auf ihm zu landen. Er führte das Rendezvousmanöver aus und dockte endlich mit dem kleinen Landeboot zwischen den ausgestreckten, spinnenähnlichen Fingern des Mutterschiffes an, wobei er die Stimme seines Vaters hörte, beruhigend, zuversichtlich, ermunternd – er wußte mit einer ungewohnten Sicherheit, daß er, nach allem, was er unten gesehen und getan hatte, nun keinen Fehler mehr machen würde.
    Wieder an Bord des Mutterschiffes, eilte er durch alle Etagen zum Kontrollraum, wo ihre Flugkoordinaten bereits in den Computer eingespeichert waren.

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