Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Spiel. Chaim trank mit Wasser verdünnte Sojamilch, um seine chronischen Magenkrämpfe zu lindern, Siamang dagegen trank etwas, von dem er annahm, daß es um einiges stärker war. Doch Siamangs Stimmung blieb heiter und freundlich, seine Konversation war frei von Anzüglichkeit, klug, gewandt und nur ein ganz klein wenig boshaft.
„Jetzt nehmen Sie doch wenigstens einen Drink mit mir zusammen, Red.“ Siamang schob eine der magnetischen Trinkkugeln über den Metalltisch. „Was kann das schon schaden?“
„Jede Menge, Boß, glauben Sie mir. Ich würde zu gerne, aber gerade Alkohol darf ich auf keinen Fall trinken.“
„Das ist kein Wodka.“ Siamangs Stimme wurde verschwörerisch und eine Spur schärfer. „Ich möchte, daß Sie einen mit mir trinken – und ich werde ein Nein als Antwort auf gar keinen Fall gelten lassen.“
„Nein, tut mir leid …“
„Los doch, trinken Sie.“ Siamang lachte. Chaim spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. „Um mir einen Gefallen zu tun.“
Dartagnan zögerte und spielte abwesend mit dem breiten Metallband um seinen Hals, etwas oberhalb seines hohen Kragens. „Na gut, Boß, aber nur einen … wenn Sie mir als Gegenleistung ebenfalls einen Gefallen tun.“
Siamang horchte auf. „An was hatten Sie gedacht?“
„Ich möchte meine Bezahlung gerne jetzt gleich. Ich möchte eine Gesellschaftskreditgutschrift über den Gegenwert eines Schiffes.“
Siamang runzelte die Stirn. „Ich bin bereit, die Summe direkt Ihrem Konto gutschreiben zu lassen …“
Er schüttelte den Kopf. „Manchmal werden solche Direktumbuchungen nicht registriert. Ich möchte etwas Schriftliches haben – erst dann werde ich meinen Teil erfüllen und Sie von der Mordanklage entlasten.“
Siamangs Stirnrunzeln wurde noch tiefer, dann verschwand es schließlich. „Nun gut, Red, wie Sie wollen … Ich glaube nicht, daß Sie mich hinterher hängen lassen. Schließlich hängen Sie so tief drin wie ich, und wenn ich untergehe, wird es auch Ihren Kopf kosten.“ Er verließ den Raum.
Dartagnan betrachtete die Kugel unbehaglich. Was, zum Teufel, ist bloß in Siamang gefahren … Er ließ das Metallband langsam um seinen Hals kreisen. Verdammt, das ist schon mal etwas Bauchweh wert, wenn ich bekomme, was ich will.
Siamang kam zurück und schob ihm die Gutschrift über den Tisch zu. „Genügt das?“
Dartagnan nahm sie in die Hand wie ein Verhungernder das Essen. Einen Augenblick war sein Kopf von der Vision erfüllt, was dieses Geld für seine Zukunft bedeuten konnte, und er fühlte sich benommen. „Ja“, sagte er heiser, „das genügt.“ Er faltete sie zusammen und schob sie in seinen Stiefel. Danach nahm er die Trinkkugel in die Hand. „Darauf trinke ich.“ Er griff nach dem Strohhalm und trank.
Er schmeckte nichts anderes als den angenehmen Geschmack von Birnensaft. Er trank weiter, leerte die Kugel überrascht.
Siamang trank lächelnd mit ihm. „Was haben Sie mit einem Schiff vor, Red? Ich meine, es gefällt Ihnen doch nicht, der Müllkutscher der Menschheit zu sein?“
„Ich habe schon soviel Müll wiederaufbereitet, daß es für ein Menschenleben reicht, Boß. Es reicht wirklich …“ Er blinzelte. Das Licht, das von der Tischoberfläche reflektiert wurde, tat seinen Augen weh. Komm schon, das ist unmöglich – doch plötzlich befürchtete er, daß es nicht unmöglich war.
„Wollen Sie ein Prospektor wie Sekka-Olefin werden?“
Er sah Siamang an. „Nicht wie Sekka-Olefin. Er … hat einen Fehler gemacht.“ Siamangs Stimme machte ihn nervös, seine Haut prickelte. Ihm war zumute, als würde sein Körper unter Hochspannung stehen. „Genau wie mein Vater. Aber ich werde diesen Fehler nicht machen.“ Sei still! Er schüttelte den Kopf. Das Licht spaltete sich in einzelne Farben auf.
„Was war das für ein Fehler, Red? Was für einen Fehler kann es geben, den ein Mann, der einen Beruf wie den Ihren ausübt, nicht bereits gemacht hat?“
Chaim schrie die Antwort fast hinaus, während unkontrollierte Wut ihn schüttelte. Er schluckte die Worte hinunter und erging sich plötzlich in Selbstmitleid. Warum spürt Siamang das denn nicht? Und dann endlich wurde ihm klar, daß Siamang überhaupt nichts außer Fruchtsaft getrunken hatte. Siamang war völlig nüchtern, und er selbst war einem letzten Test unterzogen worden.
Mekka City öffnete sich rings um ihn, vibrierend, brilliant, wunderschön, eine fremde Blume … seine Seele sang, ein Chor von Stimmen, den Stimmen der
Weitere Kostenlose Bücher