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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Blick war hinter einer Maske von Liebenswürdigkeit verborgen. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu lange warten lassen, Demarchos Sekka-Olefin. Ich bin sicher, Sie wollen diesen elenden Planeten ebenfalls so bald wie möglich wieder verlassen, wenn Sie Ihre Reparaturen durchgeführt haben.“ Er rieb die Arme durch den Anzug hindurch. „Meine Pilotin sagte mir, wir selbst müßten ebenfalls noch vor Sonnenuntergang starten, da die Batterien durch Aufrechterhaltung der Schiffstemperatur langsam zu Neige gehen. Aber ich habe gute Nachrichten – die Erlaubnis, alles Nötige zu unternehmen, um hinsichtlich der Software zu einer Einigung mit Ihnen zu kommen.“ Ein Flackern wie von Eis wurde hinter seinen Augen sichtbar. Dartagnan versuchte zu sehen, ob seine Pupillen geweitet waren, konnte es aber nicht.
    „Nun gut.“ Olefin nickte. „Vielleicht können wir uns doch noch weiter übers Geschäft unterhalten.“
    „Das hoffe ich ebenfalls. Doch zuerst würde ich gerne – wenn es Ihnen nichts ausmacht – ansehen, wofür ich eigentlich bieten soll.“
    Olefin blickte vage überrascht drein, während Dartagnan sich fragte, was Siamang sehen wollte, wenn er einfach nur die Programmspulen betrachtete. Olefin zuckte die Achseln. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wieder hinauszugehen ins Unwetter, Demarchos Siamang. Ich habe sie an Bord der Esso Biene.“
    Siamang verzog das Gesicht. „Das hatte ich befürchtet. Aber trotzdem, ich würde sie gerne sehen.“
     
    Sie gingen über die staubige, abschüssige Ebene bis zur Basis von Sekka-Olefins Landefahrzeug. Dartagnan blieb stehen und betrachtete die Leiter, die zwischen dünnen Spinnenbeinen zu dem Feststoffahrzeug hochführte. Seine Muskeln waren verkrampft vor Müdigkeit, und die Schmerzensschreie seines Knöchels hallten seine Nervenbahnen entlang.
    Siamang betrachtete sein nach oben gerichtetes Visier. „Sie werden es nie bis nach oben schaffen, Red.“ Siamangs Stimme klang seltsam unberührt hinter seiner Helmscheibe und außerdem ganz leicht belegt. „Machen Sie sich nichts daraus, sie haben bereits genug Film im Kasten. Machen Sie eine Tonaufzeichnung und kümmern Sie sich darum, wie Sie an Bord unseres eigenen Schiffes gelangen.“ Siamangs Handschuh schloß sich unerwartet kameradschaftlich um seine Schulter. Er sah ihnen verblüfft nach, wie sie die Leiter erklommen und in der Schleuse verschwanden.
    Dartagnan setzte sich auf eine Sprosse der Leiter und war dankbar, daß sich wenigstens die Atmosphäre beruhigt hatte und ihre unsichtbaren Finger von ihm ließ. An der ultramarinblauen Schale des Himmels sank die Sonne bereits wieder vom Zenit herab, und ganz hoch oben konnte er winzige graue Fleckchen erkennen, die die Klarheit des blauen Himmels störten. Er erkannte, daß er Wolken von unten sah. Er begann zu zittern und fragte sich, wann die anderen ihr Geschäft abgewickelt haben mochten, und ob das noch geschah, bevor er zu Tode fror. Ihre vorsichtigen Schritte dröhnten weiter, hallten in seinen Ohren. Plötzlich fühlte er sich schläfrig in der betäubenden Kälte …
    Er schüttelte den Kopf und stand abrupt auf. Der Schmerz weckte ihn. Er erkannte, daß die Geisterunterhaltung in seinem Helm nicht mehr geschäftlich oder freundlich war. Er hörte Siamangs Drohungen. „Das ist mein letztes Angebot, Olefin. Ich rate Ihnen, es anzunehmen, sonst bin ich leider gezwungen …“
    „Lassen Sie das, Siamang. Drohungen wirken bei mir nicht. Ich bin schon zu lange …“
    Dartagnan hörte gedämpfte Laute, einen Schrei, einen Schlag. Und dann wieder Siamangs Stimme: „Olefin? Olefin?“ Betäubt von einer anderen Art von Kälte, richtete Dartagnan seine Kamera auf die Schleuse und wartete.
    Dann erschien Siamang, der Olefins schlaffe Gestalt mit sich zog. Er stieß sie an. Dartagnan taumelte beiseite, als sie wie ein Projektil auf den Staub vor seinen Füßen zuschoß, wo der Körper verzerrt und bewegungslos liegenblieb. Benommen filmte er weiter: die Leiche, Siamangs Abstieg von der Leiter, das Ende eines Traumes.
    Siamang kam über den feuerverschmorten Staub auf ihn zu, um ihm die Kamera aus den gefühllosen Händen zu nehmen. Er löste die daumenbreite Filmkassette und warf sie weg. Dartagnan sah sie irgendwo in der staubblauen Ebene niedersinken und verschwinden: seine eigene Zukunft, die Zukunft der Menschheit, Sekka-Olefins letzter Wille und sein Testament, seinen Erben verloren, der Menschheit verloren – für immer. „Ist jetzt leider keine

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