Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
kratzen.
Tarawassie warf die rote Scheibe fort. „Nein! Das ist nicht gerecht.“ Sie schlug auf den Tisch. „Ich möchte eine Antwort .“
Mondschatten kehrte an ihre Seite zurück. Sie fühlte seine kalten, grauen Pfoten auf ihrer Schulter, die sie hinunterzwangen in einen der Sessel. „Ruhig, Sternenfrau. Es schlecht mit dir. Wir gehen nun. Morgen anderer Tag …“
„Ich möchte nicht länger warten. Ich möchte eine Antwort, jetzt! Ich habe mein ganzes Leben vergeblich gewartet.“ Sie lehnte sich nach vorn, stützte ihre Ellbogen auf dem Tisch auf, fuhr sich durchs Haar.
„Dann ein Tag keine Rolle mehr spielen.“ Steif, als ob er so etwas selten tat, setzte Mondschatten sich in den nächsten Stuhl. „Was Gelbpelz wissen, das so wichtig? Warum du kommst hierher? Was Grund?“
„Er wußte etwas über die Sternenquelle.“ Sie hob den Kopf. „Sie ist im Kristallschiff. Sie tötete ihn – oder ließ ihn sterben. Und sie ließ Mutter sterben. Sie war traurig, krank und müde, und sie starb einfach. Ich ließ sie sterben, ließ sie gehen. Aber mich hat sie abgelehnt. Ich möchte wissen, wie die Quelle in der Lage ist zu richten – und warum mir niemand darüber Auskunft geben kann.“
„Und möchten wissen, ob Geist von Mutter Heimweg gefunden.“
Sie blickte erstaunt in die grauen Augen. „Ja.“
„Du haben Chitta-Zeremonie hinterher?“
„Nachdem sie – starb?“ Tarawassie nickte. „Ich trank Chitta …“
„Und nicht träumen gut.“
„Woher weißt du das alles?“
„Ich weiß. Ich sehe, warum du kommen …“ Mondschatten rutschte auf dem unbequemen Stuhl hin und her. „Passiert manchmal auch mit Wirklichen Menschen. Einer stirbt. Kith-Brüder haben Chitta-Zeremonie, öffnen Verstand für Geist – Geist von totem Freund kommt über sie, kommt über alle Freunde, wenn am Leben, wird für immer Teil von ihnen. Aber manchmal, Bruder trauert zu sehr und verschließt sich vor Geist. Freund hat keine Ruhe, Geist findet kein Zuhause. Trauernder muß allein gehen, suchen, Herz suchen. Wenn versteht alles und akzeptiert alles, dann Geist überkommt ihn. Geist finden Ruhe, er finden Friede, alle Kith-Brüder glücklich, wieder vereint.“
„Wie kommt ihr darüber hinweg, die einzige Person zu verlieren, die euch etwas bedeutet, die ihr liebt? Wie könnt ihr jemals wieder glücklich sein, im Bewußtsein all der Dinge, die ihr hättet tun können und nicht getan habt, die ihr für den anderen hättet tun sollen? Ich ließ sie einfach sterben. Und ich habe ihr nicht gesagt … habe es niemals versucht …“ Ihre Stimme erstarb, als sie im Meer des Kummers versank.
„Nur Körper stirbt. Geist wird Teil von uns … Teil von uns.“ Die tiefe Stimme liebkoste sie wie eine streichelnde Hand. „Ahnen leben ewig, werden Teil von Freunden, von Kith-Brüdern. Mit Chitta das fühlen, fühlen Schönheit von Geist, wenn Bruder in uns aufgeht.“
Es gibt einen Himmel, das ist der Tod. Tarawassie rieb sich die Augen, sie wurden feucht, die Kratzer in ihrem Gesicht brannten. Aber das ist es nicht, was Andar meinte. „Wir glauben nicht daran, daß Chitta uns die Geister der Toten zeigt.“
„Nicht glauben?“ Kaum vernehmlich.
„Nein. Das sind nur Träume, die keinerlei Bedeutung haben.“
„Vielleicht Tod nicht gleiche Bedeutung für Sternenmenschen wie für Wirkliche Menschen …?“ Mondschatten suchte sein eigenes Spiegelbild in der Oberfläche des Tisches. „Aber alle Menschen sterben. Und meine Ahnen, sie menschliche Geister … Aber ich letzter Sternenmann, niemand verbindet sich mit mir.“ Mondschatten blickte auf, blickte erneut hinunter auf die Tischplatte, und sie hörte ihn seufzen. „Wir nun gehen, Sternenfrau. Du ausruhen. Morgen finden Antworten.“
Tarawassie erhob sich und akzeptierte den Beistand seines starken und doch behutsamen Armes. Sie fragte sich, ob es wohl eine Frage gab, die zu einer Antwort führte und nicht weitere Fragen nach sich zog.
Auf dem Rückweg zu Mondschattens Lager suchte Tarawassie die Weiten des Himmels nach dem glänzenden Punkt des Kristallschiffes ab, aber dunkle Wolken hatten sich wie ein Lid über der Stadt geschlossen. Der Wind war eisig kalt, sie zog ihren Mantel enger, deprimiert und verunsichert durch die Isolation von allem, was sie kannte.
Weiße, wirbelnde Schneeflocken tanzten vor dem Eingang des Zeltes, getrieben vom Wind, der in der Dunkelheit blies. Der Schnee schimmerte auf dem Fußboden. Tarawassie rückte näher an die
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