Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Finanzierung sollte sie Aufträge für gezielte TV-Beobachtung annehmen und eine eigene TV-Programmzeitschrift herausgeben. Zuschauer sollten sich bei dieser Stiftung beschweren können. »Je mehr die Fernsehnutzer als Verbraucher behandelt werden und je mehr das Fernsehen zur Verkaufsförderung genutzt wird – von der Werbung bis zum Teleshopping –, umso größer wird der Bedarf an Verbraucherschutz.«
Die bei Weizsäcker versammelten Medienvertreter waren wenig begeistert. Mark Wössner warnte, wer die Medienindustrie durch »eine oftmals ideologisch begründete Regelungswut« daran hindere, ihre Entwicklungschancen zu nutzen, richte schweren volkswirtschaftlichen Schaden an. Sein Konkurrent Leo Kirch, sonst bei offiziellen Anlässen verschlossen, echauffierte sich laut Spiegel bei Weizsäcker, die vorgelegte Studie sei »von keiner Sachkenntnis getrübt« und werde den Kirch-Sendern nicht gerecht. Schließlich wurde keiner der Vorschläge der Studie umgesetzt.
Im September 1994 traf sich die Kommission um Mahrenholz mit Weizsäckers Nachfolger Roman Herzog. Weizsäcker hatte den Bericht angeregt, aber er konnte seine Anregungen nicht mehr umsetzen. Das sollte nun Herzog angehen. Falls die Autoren wirklich gedacht hatten, ihr Bericht würde etwas bewirken, geriet das Gespräch mit Herzog zur Enttäuschung. Ein Medienrat? Herzog war als Bundesrichter mit Medienfragen beschäftigt gewesen. Das Thema verfolge ihn, sagte er den Autoren halb ironisch, machte aber klar, dass Medienfragen föderalistisch geregelt werden und er einem zentralen Gremium wenig Chancen einräumte. Dabei wäre so ein Medienrat rechtlich durchaus möglich und föderal unbedenklich gewesen, solange er keine Beschlüsse fasst, sondern nur Empfehlungen ausspricht – wie Mahrenholz heute sagt. Damals habe Herzog allerdings gar nicht über diesen Punkt gesprochen, erinnert sich Mahrenholz. Er selbst habe allerdings die rechtliche Unbedenklichkeit von sich aus auch nicht thematisiert.
VOX – Ein neuer Sender für die Info-Elite
Man mag sich gefragt haben, wieso Reinhard Mohn die hehren Ansprüche, die die Kommision an das Fernsehen stellte, nicht direkt bei seinem Sender durchsetzte. Genau das versuchte Reinhard Mohn 1993 tatsächlich. Er wollte Qualität im privaten Rundfunk einführen – allerdings nicht bei RTL, sondern bei einem neuen Sender, den er eigens dazu gründete: VOX. Bertelsmann hatte ehrgeizige Pläne. Für VOX war im Vorstand der Bertelsmann AG der ehemalige SPD-Bundesminister Manfred Lahnstein zuständig, den Wössner ins Unternehmen geholt hatte. Lahnstein war 1982 Minister für Finanzen und für Wirtschaft gewesen und war nun bei Bertelsmann für elektronische Medien zuständig.
Lahnstein hatte einen Verbündeten in seinem Parteifreund Wolfgang Clement, dem Staatskanzleiminister der regierenden SPD in NRW. Clement wollte sein Bundesland zum Medienstandort ausbauen. Der gelernte Journalist hatte zeitweise als Chefredakteur für die Hamburger Morgenpost , ein Boulevardblatt des Verlags Gruner + Jahr, gearbeitet. Mohn war damals sein oberster Chef. Arbeitete er nun an anderer Stelle zum Nutzen der Bertelsmann AG? Manchmal drängte sich beim Aufbau des Fernsehsenders VOX dieser Eindruck geradezu auf, beispielsweise als die SPD mit der Landtagsmehrheit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) zugunsten von VOX einfach zwei wichtige TV-Frequenzen wegnahm, um einen technisch optimalen Empfang im bevölkerungsreichsten Bundesland für VOX zu sichern.
Die landeseigene Westdeutsche Landesbank engagierte sich finanziell. Außerdem beteiligten sich die Stadtwerke Köln und eine Reihe von Sparkassen, bei denen Genossen der SPD bestimmten oder zumindest kräftig mitredeten. Der Anteil dieser Gesellschafter betrug anfänglich mehr als ein Drittel des eingesetzten Kapitals. Die unternehmerische Führung überließen sie Bertelsmann. Immerhin hatte Bertelsmann Erfahrung mit RTL. Das, so hofften die Partner, sei eine Erfolgsgarantie. Ambitionierte Polit- und Kulturmagazine sollte der Filmemacher Alexander Kluge beisteuern.
Mark Wössner sagte später, er habe an dem Tag, an dem er den Senderchef Ruprecht Eser getroffen habe, gewusst, dass VOX scheitern werde. Eser sei einfach der falsche Mann gewesen, um den Sender aufzubauen. Wössner wollte Esers Einstellung noch verhindern, aber Lahnstein hatte ihm bereits das Wort gegeben und er konnte oder wollte die Zusage nicht zurücknehmen. Mag sein, dass Eser überfordert war, Lahnstein war es auch und
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