Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Gütersloh bei der Bertelsmann AG so wahrscheinlich nicht sehen. Der Presse- und PR-Chef des Konzerns verteidigte jedenfalls die »innovativen Leistungen« der Privaten.
Reinhard Mohn nutzte die Preisverleihung und machte Vorschläge, wie das deutsche Rundfunksystems zu reformieren sei. Nicht zufällig beruhten die Vorschläge auf den schlechten Erfahrungen mit VOX. Die föderalen Zuständigkeiten sollten gebündelt werden und durch eine gemeinsame Fernsehaufsicht für die Länder wahrgenommen werden, die dann für die Lizenzvergabe nach einheitlichen Kriterien zuständig sei. Die Konzentrationskontrolle könne wirksamer durch das Bundeskartellamt vorgenommen werden. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau schlug vor, die Lizenzvergabe zu erleichtern, indem künftig alleine die Marktanteile der einzelnen Veranstalter ausschlaggebend sein sollten. Dieser Vorschlag hätte auch von Mohn stammen können.
Die Kommunikationsordnung 2000
Die Stiftung baute den Medienbereich weiter aus und machte ihn zu einem Schwerpunkt: Die Leiterin dieses Bereichs, Ingrid Hamm, wurde Geschäftsführerin der Stiftung; ihr Aufstieg zeigt auch, dass ihr Bereich an Bedeutung gewonnen hatte. Die Stiftung versammelte viele namhafte und einflussreiche Praktiker (Chefredakteure, Programm- und Verlagschefs sowie Experten aus den USA), sie gab Studien in Auftrag und lud zu Seminaren ein. Der Ansatz war durchaus kritisch. Die Ergebnisse waren oft so richtig und anspruchsvoll wie wissenschaftlich und für die Praxis meist nur bedingt hilfreich. Sie hatten keine Folgen. Sie veränderten und verbesserten nichts. Aber die Stiftung machte sich breit, verteilte Geld und erhielt Einfluss.
Einiges ist sicherlich lobenswert, beispielsweise hielt Dieter Anschlag, ein renommierter Medienjournalist aus Köln, im September 1996 im Auftrag der Stiftung in Berlin ein Seminar über kritischen Medienjournalismus. Das Seminar dauerte eine ganze Woche. Referenten waren unter anderem der Medienautor des Spiegel , Hans-Jürgen Jakobs, Klaus Ott von der Süddeutschen Zeitung und Ingrid Scheithauer von der Frankfurter Rundschau . Es ging in den Vorträgen und Diskussionen darum, den Blick für die Relevanz medienpolitischer Entscheidungen zu schärfen, und auch um »die Notwendigkeit der Autonomie« – also um journalistische Unabhängigkeit. Anschlag schreibt für den in Köln erscheinenden Medienfachdienst Funkkorrespondenz . Der Dienst wird von der katholischen Kirche herausgegeben. Anschlag urteilte inhaltlich unabhängig, er war kompetent und angesehen und er glaubte, dass die Stiftung ihn wegen seiner Unabhängigkeit ausgewählt hatte, über Qualität und Unabhängigkeit von Medienjournalismus zu referieren. Mit diesem Anspruch schrieb er wenige Monate nach dem Seminar in Berlin Anfang 1997 auch über ein Positionspapier der Bertelsmann Stiftung, das die Medienanstalten der Bundesländer als antiquierte Modelle betrachtete und forderte, die Kartellbehörden sollten ihre Aufgaben übernehmen.
Das Positionspapier beschrieb eine »Kommunikationsordnung 2000« und war im Januar 1997 in Gütersloh fünf ausgewählten Medienjournalisten von Kurt Biedenkopf (CDU) vorgestellt worden. Biedenkopf war sächsischer Ministerpräsident, ehemaliges Gremienmitglied der Bertelsmann Stiftung, und wurde von Anschlag als »Haus- und Hofreferent der Bertelsmann Stiftung« bezeichnet. Biedenkopf stellte das Papier laut Stiftung mit folgenden Worten vor: »In einer Kommunikationsordnung der Zukunft müssen Freiheit die Regel und Wettbewerb wichtiger als staatliche Regulierung sein. Nur so lassen sich Medienqualität und Vielfalt sichern. Wir sollten die Strukturen der Wirklichkeit anpassen, sonst droht die deutsche Kommunikationswirtschaft im globalen Markt ins Hintertreffen zu geraten.« Das Papier kritisiert »Überregulierung und Zersplitterung der Aufsicht für die deutsche Kommunikationswirtschaft. Angesichts der Globalisierung der Märkte sei die Rundfunkkontrolle durch die Landesmedienanstalten keine tragfähige Lösung mehr. Deutschen Medienunternehmen entstünden daraus vielmehr Nachteile im internationalen Wettbewerb sowie Rechts- und Planungsunsicherheiten.« Mit anderen Worten: die Stiftung will die Aufsicht abschaffen und ihr ehemaliges Beiratsmitglied Biedenkopf macht sich dafür stark. Zu den neun Beratern des Positionspapiers zählten neben Biedenkopf Peter Glotz (SPD/ Bertelsmann Stiftung), Jo Groebel, der Medienrechtler Ernst-Joachim
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