Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Effizienz, betonte damals der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Gunter Thielen. Besonders wichtig sei Transparenz für den, der dem Gemeinwohl dienen wolle. Denn »zur Legitimierung notwendiger Reformanstöße ist Offenheit eine wesentliche Bedingung.«
All das trifft in besonderer Weise auch auf die Bertelsmann Stiftung selbst zu. Aber ist sie transparent? Oberflächlich ja. Sie veröffentlicht einen aufwendig gestalteten Jahresbericht, hält eine Bilanzpressekonferenz und beschäftigt mehrere Pressesprecher. Doch nach welchen Kriterien funktioniert sie? Wer bestimmt und kontrolliert sie? Erhält sie vom Gewinn des Unternehmens den Anteil, der ihr zusteht? Warum hat sie die Satzung so umfassend und weitreichend geändert, dass sie auf alle Ewigkeit einzig der Familie Mohn verantwortlich ist? Wieviel Geld gibt sie in Form von aufwendigen Konferenzen aus, um Zugang zur Politik zu erhalten? Wie teuer kommen die Sangeswettbewerbe, wie viel kosten teure Reisen ins Ausland – angeblich immer im Dienst des Gemeinwohls? Wer Details wissen will zu ihrem Vermögen und nach welchen Kriterien sie Geld ausgibt, der stößt schnell an Transparenzgrenzen.
Dabei herrscht in der Öffentlichkeit ein Wissensdefizit über Vorgehen und Inhalte der Stiftung, wie eine Untersuchung der Stiftung ergab. Wie sehr die Stiftung ihre Interessen vertritt und durchzusetzen versucht, ist offenbar nicht bekannt. Gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut hat die Stiftung 2001 eine Imagestudie erarbeitet; ihre Ergebnisse treffen vermutlich im Wesentlichen auch heute noch zu. Demnach gehört die Bertelsmann Stiftung neben der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Volkswagen-Stiftung zu den vier bekanntesten Stiftungen in Deutschland. 90 Prozent der Entscheider kennen sie. Aber nur 16 Prozent konnten konkrete Projekte richtig benennen. Die Stiftung zog in ihrem Mitarbeitermagazin Einblick gegenüber ihren Mitarbeitern in der Aussgabe 9/2001 folgende Bilanz aus der Imageanalyse: »Die Entscheider haben ein eher diffuses Bild von den Aktivitäten und Projekten. So sind zum Beispiel rund 70 Prozent der falschen Auffassung, die Bertelsmann Stiftung vergebe Stipendien zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung. Ihr ausdrücklich operativer Charakter ist offenbar nicht bekannt.« Ausgerechnet der operative Charakter ist also nicht hinreichend transparent, obwohl sich gerade daraus Interessenkonflikte und berechtigte Fragen ergeben.
Ich habe die Stiftung jahrelang beobachtet und zahlreiche Veranstaltungen mit Liz und Reinhard Mohn besucht – etwa als Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede zur Verleihung des Carl Bertelsmann-Preises hielt, als sie als Oppositionsführerin ein Buch von Reinhard Mohn vorstellte oder als Bundespräsident Johannes Rau 2002 die Festrede zum 25-jährigen Jubiläum hielt. Die Mohns selbst wollten sich nicht befragen lassen. Ihre Stiftung hat diese Recherche zwar unterstützt, indem sie Dutzende von Schriften und Studien zugänglich machte und Mitarbeiter teilweise zu Auskünften und Gesprächen bereit waren. Sobald die Fragen aber tiefer gingen und Interessenkonflikte, die strikte Kontrolle durch die Familie Mohn oder die Verwendung der Gelder betrafen, endete das Bekenntnis zur Transparenz.
Dabei wirft die Stiftung nicht nur mit Projekten, sondern bereits mit ihrer Konstruktion und Mittelzuteilung Fragen auf. Wieso erhält sie für 77 Prozent der Anteile an der Bertelsmann AG 60 bis 80 Millionen Euro jährlich, während dem Investor Albert Frère für 25 Prozent jährlich 120 Millionen Euro zugesagt waren? Sollte die Öffentlichkeit nicht darauf dringen, dass sie erhält, was ihr zusteht? So einzigartig die Stiftung in ihrer Nähe zur Politik und in ihrem Bestreben ist, Einfluss auf Gesetze zu nehmen, so beispielhaft ist sie in ihrer Konstruktion für viele unternehmensverbundene Stiftungen. Sie sind gemeinnützig, stellen aber das Wohl des Unternehmens an die erste Stelle. Das Buch beleuchtet diesen Missstand des deutschen Stiftungswesens am Beispiel der Bertelsmann Stiftung und zeigt, warum eine Reform mißlang.
Als ich am Ende der Recherche in 44 Punkten rund 100 Fragen einreiche (ein erster Teil meiner Fragen) und die Vorstandsmitglieder zum wiederholten Mal um ein Gespräch bitte, antwortet Sprecherin Karin Schlautmann: »Dem Informationswunsch der Öffentlichkeit in inhaltlichen und finanziellen Fragen kommen wir nach unserer Einschätzung umfassend in den Veröffentlichungen der Bertelsmann Stiftung
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