Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Vermittlung als Auslöser, die Hartz-Kommission, die eigenmächtige Ausweitung des Auftrags durch Peter Hartz. Auf einer der Folien, die er präsentierte, ist die Rede von der »prominenten Rolle privater Dienstleister und von zivilgesellschaftlichen Akteuren«. Er nennt sie »Profis der Nation« und sieht »hier Ansätze veränderter governance « – eine andere Form des Regierens. Allerdings könnte man diese veränderte Governance auch als Mitregieren eines demokratisch nicht legitimierten Beratungsinstitutes bezeichnen. Der Name des Instituts – Bertelsmann Stiftung – stand nicht auf den Folien, ebenso wenig die Tatsache, dass Werner Eichhorst selbst einer dieser »Profis der Nation« war.
Günther Schmid ist dagegen weniger angetan von der Arbeit und dem Einfluss der Bertelsmann Stiftung und beklagt 2003 in dem Werkstattbericht Management of Change in der Politik? , den er gemeinsam mit Stefan Ramge, einem Regierungsdirektor im Bundeskanzleramt, herausgibt, die deutsche wissenschaftliche Beratung sei »stark an der Exekutive orientiert«. Das führe zu »mangelnder Transparenz« und mangelnder Präsenz der Beratung in der Öffentlichkeit. Schmid betont: »Auch wenn das amerikanische Modell nicht übertragbar ist, wäre es wünschenswert, das faktische Beratungs-Oligopol zu mindern.« Schmid kritisiert eine »oligopolitische Beratungsstruktur in Gestalt der sechs großen Wirtschaftsinstitute und einiger weniger, großer Stiftungen, insbesondere der Bertelsmann Stiftung« 13
Und was sagt die Stiftung mit etwas mehr Distanz selbst? Wie geht sie mit dem Misserfolg der Reformen und den Vorwürfen um? Was lief falsch? Was hätte man besser machen können in der Beratung? Was muss sich in der Arbeit der Bertelsmann Stiftung ändern? Stellt sie sich diese Fragen überhaupt?
Im Februar 2007 bat das Wirtschaftsmagazin Capital , das der Bertelsmann AG gehört, die Bertelsmann Stiftung, die Qualität der Reformen der vergangenen Jahre zu bewerten, denn »niemand besitzt mehr Erfahrung auf diesem Gebiet«. Die Stiftung kam zu dem Ergebnis, die Reformen seien »besser als ihr Ruf«, wie der Titel der Geschichte lautet. Das Ausland feiere Deutschlands Mut und Reformeifer. Die Stiftung lobte den ehemaligen Kanzler Schröder: Er habe in seiner Amtszeit kräftig reformiert – und dabei das gern gepflegte Politikerklischee der Machtversessenheit Lügen gestraft. Erst das Land, dann die Partei: Mit dieser Strategie verprellte er viele Gewerkschafter, trieb die eigenen SPD-Genossen erst auf die Barrikaden und dann in die Arme der Linkspartei. Am Ende standen vorzeitige Neuwahlen und der Amtsverlust. Auch Angela Merkel hinterlasse Spuren, indem sie im Schulterschluss mit Vizekanzler Franz Müntefering die Rente mit 67 einführe und mit dem Elterngeld den Abschied vom bürgerlichen Familienbild gewagt habe.
Die Regierungen hätten große Fortschritte bei der Stabilisierung des Rentensystems und – entgegen landläufiger Meinung – auch bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geleistet. So komme die OECD zu dem Schluss, dass kein anderes Land seinen Jobmarkt in den vergangenen zehn Jahren so stark reformiert hat wie Deutschland – wenngleich von einem miserablen Zustand aus. Capital bilanzierte: Schröders Hartz-Gesetze waren richtig. Man kann dies als Lob des Konzerns an die Stiftung verstehen.
Im Jahr 2007 schaute die Bertelsmann Stiftung noch einmal zurück auf die Reformpolitik der Regierung Schröder – diesmal mit etwas mehr Distanz als es Frick 2002 tat. Es ging vor allem um die Reform des Arbeitsmarktes – um Hartz IV. Längst war die Euphorie der Kritik gewichen. Die Reform hatte das Land verändert. Schröder wurde abgewählt und Protest hatte sich formiert; es entstand eine neue linke Partei. Schuld daran war vor allem Hartz IV. Einst versprachen Schröder und Hartz die Halbierung der Zahl der Arbeitslosen. 2004 lag sie bei 4,26 Millionen und damit nur wenig unter dem Höchststand von 1997. 2007 ging sie dank einer guten Wirtschaftslage zurück wie nie zuvor und lag im Jahresdurchschnitt bei 3,776 Millionen. Die Arbeitslosenquote lag somit bei 9,0 Prozent.
Die Rückschau hielten dieses Mal nicht die Arbeitsmarktspezialisten Stefan Empter, Frank Frick, Andreas Esche, Werner Eichhorst oder Eric Thode, die die Reform frühzeitig und jahrelang mit immer neuen Studien, Vergleichen und Tagungen und Broschüren begleitet hatten, sondern Leonard Novy und Gregor Peter Schmitz, zwei junge Mitarbeiter der
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