Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Öffentlichkeit vermitteln. Bereits zwei Monate zuvor hatte der Spiegel in einer Titelgeschichte über die Konzepte von Hartz berichtet. Auch in diesem Artikel war Frick die einzige Quelle und der Bericht unterschied sich nicht wesentlich von Darstellungen, die Frick und die Stiftung in ihrer eigenen Zeitschrift präsentierten. Es kamen darin keine Stimmen vor, die diese Modelle und ihre Übertragung kritisch hinterfragt hätten, von der Rolle der Stiftung ganz zu schweigen. Vermutlich wären die Berichte in FAZ und Spiegel nicht viel anders ausgefallen, wenn Frick sie selbst geschrieben hätte. So aber verliehen Spiegel und FAZ seiner Schilderung zusätzlich Glaubwürdigkeit und den Eindruck von Unabhängigkeit. So zahlten sich die jahrelangen Kontakte zu Journalisten aus.
Alexander Jung, der im Spiegel berichtete, ist einer der Wirtschaftsjournalisten, den Frick und Empter bereits im September 1995, damals noch für die später eingestellte Zeitung Die Woche , zum Symposium nach Gütersloh eingeladen hatten, als die Stiftung den Carl Bertelsmann-Preis wegen erfolgreicher Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an Portugal vergab. Bei diesem Symposium waren bereits all die Modelle und Länder zur Sprache gekommen, die die Stiftung später der Regierung von Schröder empfahl.
Die Stiftung unterhält ein großes, eng gespanntes Kontaktnetz zu Journalisten. In der Mitte des Netzes befinden sich Verleger und Chefredakteure aller namhaften und einflussreichen Magazine, Zeitungen und Fernsehsender – liberale Zeitungen wie Die Zeit , Der Spiegel und Süddeutsche Zeitung , aber auch konservative Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt . Besonders umwarb die Stiftung die Zeit und das ZDF . Journalisten sind immer dankbar für Kontakte, Material und Orientierung – und natürlich dafür, dass die Bertelsmann Stiftung sie zu Feiern, in Jurys und zu Symposien einlädt. Die Stiftung arbeitet subtil. Sie lässt alle ein und lässt alle zu Wort kommen. Es ist ein Austausch, von dem alle profitieren – zumindest behaupten sie das. Die Stiftung schreibt nichts vor, sie bietet nur an – und zahlt. Es geht um Kontakte, um Zugang in den Kreis einer publizistischen Elite, und auch darum, mögliche künftige Partner auf ihre Eignung hin für Interviews und Gremienmitarbeit hin zu prüfen.
Fragwürdige Erfolge: Das Modellprojekt Köln
Auch in Köln profitierte die Stiftung von ihrer jahrelangen Vorarbeit. Jetzt zahlte sich das gute Verhältnis zu Bundespräsident Roman Herzog aus. Die Stiftung schob gerne Projekte an, die sie der Öffentlichkeit als Maßnahmen präsentierte, zu denen sie von der Politik gebeten worden sei. So war es auch diesmal. Die Stiftung tat sich leichter, kommunale Politiker und Beamte anzusprechen, wenn der Segen von allerhöchster Stelle erteilt wurde. Deshalb holte sich die Stiftung die Legitimation für dieses Projekt vom Bundespräsidenten, dessen Amtszeit kurz vor dem Ende stand. Gemeinsam starteten Präsident und Stiftung 1999 eine Initiative zur »Förderung beschäftigungsorientierter Sozialpolitik in Kommunen«. Die Stiftung gründete, koordinierte und finanzierte teilweise ein Netzwerk von »24 besonders motivierten und reformfreudigen Kommunen«. Von Dezember 2001 bis September 2003 setzten 15 Städte und 9 Landkreise von Bielefeld über Kassel und Reutlingen bis Paderborn Modellprojekte um, die von »Benchmarking« über eine »Vergleichsanalyse zu Kosten und Nutzen« bis zu gemeinsamer Fortbildung von Fachkräften der Arbeitsämter und der Sozialverwaltungen reichten.
Eine dieser besonders reformwilligen Kommunen war Köln. Die Stadt litt an Geldmangel und wollte ihre Sozialausgaben 1999 innerhalb von zwei Jahren um 20 Millionen Mark senken, indem sie Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenlegte. In einer Projektbeschreibung der Bertelsmann Stiftung, die das Kölner Modell 1999 als beispielhaft anführt, heißt es: »Dabei sollen die Rechtsansprüche der Hilfsbedürftigen nicht angetastet werden.« Man wollte keine Kritik provozieren. Doch entsprach das Versprechen der Stiftung der Realität?
Schon seit Januar 1998 versuchte das Sozialamt in Köln einen neuen Umgang mit jungen Arbeitslosen und startete das Projekt »Sprungbrett«. Es war ein schöner Name für eine gut klingende Idee: Junge Leute, die seit Monaten oder Jahren nichts tun, sollten auf Job und Arbeit vorbereitet werden. »Sanft und verständnisvoll«, wie die Frankfurter Rundschau nach einem Besuch und Gesprächen
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